Zaubern und zuhören: Kamasi Washington eröffnet fulminant das 37. ZMF STADTGEPLAUDER | 16.07.2019 | Till Neumann

Weltweit wird Kamasi Washington gefeiert. Warum, das hat er gestern beim Pre-Opening des Zelt-Musik-Festivals ZMF in Freiburg gezeigt. Der Ausnahme-Saxofonist lieferte mit seiner Band eine Show der Extraklasse. Manchen war das zu speziell, andere bouncten heftig mit.

Ganz am Schluss springen viele von den Stühlen und jubeln ihm zu. Besser gesagt: der ganzen Band. Denn der Star ist hier die Mannschaft. „Fists of Fury“ heißt ihr letzter Track. Und der entwickelt sich nach und nach zu einem mächtig schiebenden Brett. HipHop-Fans können mit der Zunge schnalzen, Jazzliebhaber geschmeidig mitwippen, Kamasi-Verehrer ihre Handys zücken und festhalten, was da gerade passiert, wenn Ausnahmekönner aufdrehen.

Einfach ist es nicht, alles zu erfassen, was die Band aufs Parkett bringt. Allein die zwei Drummer bearbeiten ihre Instrumente mit so viel Raffinesse und Tempo, dass das Auge kaum mitkommt. Dazu kommen Kontrabass, Posaune, Pianos, Klarinette, Querflöte, Gesang und natürlich das gold glänzende Saxofon des Mr. Washington. Alle zusammen gespielt, bringen die Ohren an die Grenzen des Erträglichen. Doch die Band bietet selbst in solchen Momenten Hochgenuss. Immer on point, mit einer Coolness, die nie aufgesetzt wirkt. Ganz nebenbei spielt auch Kamasis Vater mit. „He told me everything“, schwärmt der Saxofonist über Rickey Washington.

„HipHop is Jazz“, findet Washington. Alles ist für ihn eins. Genregrenzen hinfällig. Der 1981 in Los Angeles geborene US-Amerikaner tourte mit Snoop Dogg, wirkte bei Kendrick Lamars Album „To pimp a Butterfly“ mit und gilt als der Mann, der Jazz wieder sexy macht. Dabei zeigt sich Washington im Zirkuszelt als ruhiger Typ, der nur hin und wieder ein paar Worte ans Publikum wendet. „We are all one“, sagt der Mann im afrikanischen Gewand. Man könne sich lieben, auch wenn man nicht die Sprache des anderen versteht. Man könne sich lieben, wenn man einen anderen Glauben hat, sagt er. Und er tue das. „I love you“, spricht er mit ruhiger Stimme ins ZMF-Zirkuszelt.

Drummer spielen den Saal schwindelig

Mit seinem wilden Afro, der wuchtigen Erscheinung und der großen Halskette steht er ohne Frage auch optisch im Mittelpunkt. Doch die Band kann locker mithalten, nicht nur wegen der verwegenen Sonnenbrillen. Soli der Extraklasse unterstreichen ihr Können. Die Drummer gönnen sich ein minutenlanges Duett und spielen den Saal schwindelig. Der Pianist Brandon Coleman rockt mit seinen nicht enden wollenden Läufen bis zur Ekstase und bearbeitet vergnügt die Effektmaschinen. „Zu speziell“, findet das zwei ältere Besucher. Hellauf begeistert sind viele andere.

Einziger Wermutstropfen des Abends: Als Voract ist die US-Sängerin Madeline Peyroux geladen. Sie zeigt zwar ihre tolle Stimme, reißt mit ihrer Band aber nur bedingt mit. Das Warten auf Kamasi Washington wird unnötig verlängert. Und der Abend gerät lang. Mehr Zeit und Kraft für den Zauberer am Saxofon wäre der bessere Weg gewesen. Der kann übrigens auch exzellent zuhören. Seinen Bandkollegen lauscht er immer wieder bedächtig. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Eine Form des Respekts, die ankommt. Ganz egal ob HipHop oder Jazz.

Musik ist auch Politik, daran lässt Washington keine Zweifel. „Our time as victims is over. We will no longer ask for justice. Instead, we will take our retribution“, singt Patrice Quinn am Schluss beim donnernden Fists of Fury. Washington reckt die Faust zum Himmel. Wie ein Geistlicher sieht er in dem Moment aus. Beten muss er aber nicht. Seine Musik alleine spricht für sich. Und bleibt sicher noch eine Weile in den Köpfen nach diesem denkwürdigen Abend in einem nicht mal ausverkauften Zirkuszelt.

ZMF

Das ZMF startet offiziell am morgigen Mittwoch mit den Konzerten von Loreena McKennitt, dem John Butler Trio und dem Dimitri Monstein Ensemble. Auf der Kleinkunstbühne tritt Oliver Scheidies auf. Das Konzert von Kamasi Washington wurde vor den eigentlichen Start gelegt, da der Künstler sonst nicht verfügbar gewesen wäre. Ein solches Pre-Opening ist Premiere in den 37 ZMF-Jahren, betonte Gründer Alexander Heissler vor dem gestrigen Konzertauftakt. Das volle Programm gibt’s auf www.zmf.de.

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