Zeuge vieler Zeiten: Rudolf Schönwald erzählt dem Schriftsteller Erich Hackl sein Leben STADTGEPLAUDER | 24.03.2022 | Erika Weisser

Rudolf Schönwald neben eigenem Kunstwerk

Der Künstler Rudolf Schönwald hat viele, vorwiegend figürliche Werke geschaffen – Gemälde, Wandbilder, Grafiken und Keramikbilder. Bekannt wurde er mit seinen Zeichnungen von stillgelegten Industrieanlagen in ganz Europa, von denen einige zur Sammlung des Freiburger Morat-Instituts für Kunst gehören. Der 93-Jährige, der außer in Wien seit sieben Jahren auch in Freiburg lebt, hat nun seine bewegte und bewegende Lebensgeschichte veröffentlicht – eine eindrückliche Besichtigung des Jahrhunderts, in dem die Welt zum Irrenhaus wurde.

Schönwald hat das Buch nicht selbst geschrieben – „das wäre doch ziemlich hölzern geworden“, ist er überzeugt. Er hat sein Leben dem österreichischen Schriftsteller Erich Hackl erzählt, „in 13 langen Interviews mit etlichen Flaschen Wein“. Mit Hackls Nacherzählung ist er persönlich „mehr als zufrieden“. Doch ob das Ergebnis dieser langen Gemeinschaftsarbeit „wirklich etwas geworden ist, das müssen jetzt die Leser entscheiden“.

Diese sind dem Werk in großer Zahl zu wünschen: Außer dem genauen Blick fürs Detail, der in seinen grafischen Arbeiten sichtbar wird, verfügt Schönwald auch über ein präzises Gedächtnis. Und über die Gabe des lebendigen Erzählens: Mit viel Leichtigkeit und Witz, mit profunder Selbstreflexion und einer gehörigen Portion Selbstironie, mit unbedingter Ehrlichkeit und analytischem Verstand spaziert er durch sein Leben, nimmt die Leser mit auf eine packende Reise in die Vergangenheit, die bis in die Gegenwart reicht.

Dieser Reise zu seiner Kindheit in Hamburg und Salzburg, seiner kurzen Schulzeit im Internat St. Blasien, seinen Jugendjahren in Budapest, seinen künstlerischen Anfängen in Wien, zu vielen „eigentlich unglaublichen“ Ereignissen und später einigermaßen berühmten Weggefährten hat er ein „schönes Bonmot“ von Carl Laszlo vorangestellt: „Erinnern ist das eigentliche Leben“.

Wie Laszlo ist Schönwald Überlebender des Nazi-Terrors: Seine Volksschulzeit in Salzburg war der Tatsache geschuldet, dass beide Eltern aus jüdischen Familien kamen und sie mit ihren zwei Kindern 1934 vor den neuen Machthabern nach Österreich flohen – von dort stammte der Vater. Und auch nach Ungarn gelangten Rudolf und sein Bruder Peter durch Flucht vor den Nazis. Als „halbe Kinder“. Alleine. Sie überlebten dort in Lagern und Verstecken – dank vieler Zufälle, „die sich im Nachhinein als lebenserhaltend erwiesen“, dank hilfebereiter Menschen, dank des Internationalen Roten Kreuzes und „vieler Schutzengerl“. Angesichts der „sehr schmerzlichen“ Bilder aus der Ukraine, sagt er, kommt die Erinnerung an die beiden letzten Kriegsmonate wieder hoch, die er als Illegaler halb verhungert im eingekesselten Budapest erlebte, dem „Stalingrad an der Donau“. Der Friedens- und Menschenfreund hat nie damit gerechnet, dass es in Europa noch einmal so weit kommen würde. Obwohl er sehr oft erfahren hat, „wie wenig es braucht, dass der Mensch zur reißenden Bestie wird.“

Buchcover: Die Welt war ein Irrenhaus

Die Welt war ein Irrenhaus
von Rudolf Schönwald
Verlag: Zsolnay, 2022
304 Seiten, gebunden
Preis: 26 Euro

 

 

 

Foto: © Leonhard Hilzensauer