Buch-Tipp: Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen – Wortkarge Miniaturen 4Literatur & Kolumnen | 09.05.2025 | Erika Weisser

Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen

Wenige Tage vor Vollendung seines 90. Lebensjahrs starb am 15. März der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel. So wurde die als Geburtstagsgeschenk geplante erweiterte Neuausgabe seines Kurzprosa-Klassikers von 1964 eine schöne posthume Hommage an den Meister der vielsagenden Erzähl-Lücken.

Bichsel hat an dem Band noch mitgewirkt, hat dafür gesorgt, dass die einst seine Karriere begründenden 21 Texte um 14 weitere, bereits dem Schweizerischen Literaturarchiv überlassene Prosastücke ergänzt werden konnten. Viele davon sind nun erstmals zugänglich.

Wer die Geschichten heute liest, mag genauso erstaunt sein wie die Leser vor 60 Jahren: Erstaunt darüber, wie es einem Autor gelingt, mit derlei handlungs- und wortkargen Miniaturen so viel über die Menschen zu sagen, die darin agieren. Oder eher: darin vorkommen.

Denn sie agieren nur wenig. Und beschränken sich in ihrer Kommunikation aufs Notwendigste. Wie etwa der Titelgebende Milchmann, der Frau Blum manchmal einen Zettel zu den beiden Milchflaschen legt, die er jeden Morgen um 3 Uhr vor ihre Tür stellt. „Heute keine Butter“, steht darauf. Oder „Verzeihung“, nachdem sie reklamiert hat, dass er 10 Rappen zu viel berechnet hat. Sie begegnen sich nie. Und kennen sich trotzdem genau.

Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen Buchcover

Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen
Peter Bichsel
Verlag: Suhrkamp, 2025
Preis: 22 Euro
Seitenzahl: 166 Seiten, gebunden