Buch-Tipp: Eine liebe Frau – Späte Vergewisserung 4Literatur & Kolumnen | 27.04.2025 | Erika Weisser

Eine liebe Frau

An einem Frühlingstag im Jahr 1963 streift Marianne durch London. Den Bauwerken, Plätzen und Parks schenkt sie nur wenig Aufmerksamkeit, zu sehr ist sie mit sich selbst beschäftigt. Und auf der Flucht – vor den Fragen und Vorwürfen der Cousine ihres längst verstorbenen Mannes.

„Weit weg vom Freiburger Alltag“ ist Marianne bei ihr zu Besuch. Doch nun ist sie so genervt, dass sie sich zum ersten Mal von ihren selbst auferlegten Zwängen löst und allein losgeht. Ziellos. Dabei lässt die fünffache Großmutter ihr Leben Revue passieren, ihre Jugendträume, ihre Sehnsüchte, ihre Enttäuschungen. Und ihre Entscheidungen, von deren Richtigkeit sie plötzlich nicht mehr ganz überzeugt ist. Anders als die Schwägerin Martha oder die Freundin Charlotte und trotz gelegentlicher Zweifel hat sie so gelebt, wie es von einer lieben Frau erwartet wurde: im Schatten und Dienst der Familie.

Eindrücklich schildert Laetitia Lenel in ihrem Roman die späte Selbstvergewisserung ihrer Urgroßmutter Annemarie; am 29. April liest sie daraus im NS-Dokuzentrum: Die mehrfach erwähnte Schwägerin Martha war Bertha Lenel, die 1940 nach Gurs deportiert wurde, von dort fliehen konnte und nach 1945 wieder in Freiburg lebte. Mit Annemarie und deren Kindern.

Buchcover Eine liebe Frau

Eine liebe Frau
Laetitia Lenel
Verlag: Gutkind, 2024
Preis: 24 Euro
Seitenzahl: 159 Seiten, Hardcover