Duell im Damenbad: Paulina Stulins Comic erinnert an einen heißen Freiburger Sommer 4Literatur & Kolumnen | 24.07.2022 | Erika Weisser

Ausschnitte aus dem Comic Freibad

Seit 1886 wird in der blickdichten Damenabteilung des Lorettobads gebadet. Genau 130 Jahre später, im heißen Sommer 2016, kam es in diesem Separee, das laut Regio Bäder GmbH „früher wie heute ausschließlich den Damen vorbehalten“ ist, über mehrere Tage zu handfesten Streitigkeiten.

Schon immer dagewesene Freiburger Platzhirschinnen kämpften mit scharenweise aus dem Elsass und der Schweiz angereisten Muslimas um das Recht auf das kleine Stückchen Liegewiese und das winzige Wasserbecken. Ausläufer der hohen, selbst unter Polizeieinsatz kaum zu glättenden Wogen der eher dämlichen denn damenhaften Auseinandersetzungen strandeten in der überregionalen Presselandschaft.

Sie erreichten auch München. Davon zeugen nicht nur seinerzeitige Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Das wird demnächst auch anschaulich in Doris Dörries Kinofilm „Freibad“. Eine augenzwinkernde Sicht auf die Absurditäten des interkulturellen Zwists um teilentblößte oder ganzverhüllte Körper liefert zudem Paulina Stulins brandneue gleichnamige Graphic Novel, die nach
Dörries Drehbuch entstanden ist. Zwar ist nicht explizit vom Lorettobad die Rede. Wohl aber vom „einzigen Frauenbad in Deutschland“. Und das ist nun einmal das Lollo.

Den ersten Zoff gibt es, als eine junge, leidenschaftliche Kampfschwimmerin in schwarzem Kapuzen-Neoprenanzug – der auch ein Burkini sein könnte – im beschaulichen Bad aufkreuzt und hastig ihre Bahnen zieht. Das provoziert eine der mit ihrem geliebten Frauen-Freiraum in die Jahre gekommenen Sonnenbadenden dazu, ihr Oberteil abzulegen und entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten ins Wasser zu springen. Was wiederum die Bademeisterin dazu veranlasst, sie sofort herauszufischen, da im Becken oben ohne nicht erlaubt ist.

Als ihre gleichfalls ihrem jugendlichen Körper nachtrauernde Gefährtin sie darauf hinweist, dass „die besten Pralinen immer gut verpackt“ seien, bezichtigt sie diese, ein Beweis für die Islamisierung des Abendlands zu sein. Bis auf einige pikierte Blicke in Richtung einer Gruppe nicht ganz so freizügiger Frauen passiert dann zunächst nichts. Bis ein mit Badeanzug und Kopftuch getarnter Junge ins Gebüsch pinkelt. Zwar wird der gleich des Damenbads verwiesen, doch das Misstrauen gegenüber den „Fremden“ bleibt.

Als tags darauf noch fremdere, tief verschleierte Frauen die gleichen Rechte beanspruchen wie die angestammten, bricht der Krieg richtig los. Und wird erst beigelegt, als anstelle der überforderten Bademeisterin ein Bademeister auftaucht und dieser die ganze Breitseite feministischer Solidarität abkriegt. Spitzfindige Sommerlektüre – ideal fürs Lorettobad.

Buchcover: FreibadFreibad
von Paulina Stulin
Verlag: Jaja, 2022
296 Seiten,
gebunden
Preis: 29 Euro

 

 

 

Illustrationen: © Paulina Stulin/Jaja-Verlag