Kolumne Nachgewürzt: Linksextremistin Nancy Faeser? 4Literatur & Kolumnen | 20.02.2022 | Florian Schroeder

Florian Schroeder

Die Hufeisen fliegen wieder tief: Unsere Innenministerin Nancy Faeser wird als Linksextremistin beschimpft, weil sie einen Artikel für ein antifaschistisches Magazin geschrieben hat! No-Name-Politiker von CDU und CSU ereifern sich auf verwirrte Weise in der BILD-Zeitung: „Die SPD ist auf dem linken Auge weitgehend blind.“

Da wäre doch die erste Frage: Sollte nicht jedes Magazin in Deutschland antifaschistisch sein? Oder sagen Zeit, Spiegel und FAZ: „Na, beim Thema Faschismus sind wir neutral – mal abwarten, wer gewinnt“? Es war ja nicht alles schlecht: Mit dem Zweiten Weltkrieg schuf Hitler ja auch viele Arbeitsplätze.

Und wenn man einer deutschen Innenministerin zum Vorwurf machen kann, dass sie antifaschistisch ist: Was waren dann ihre Vorgänger im Amt? Und vor allem: Wer war das? Ach ja, stimmt! Horst Seehofer! Der Mann, der Hans-Georg Maaßen in sein Innenministerium holen wollte. Nee, der war dann wohl doch eher Faschis… also, kein Antifaschist.

Gegenstand der Aufregung: Dass Faeser geschrieben hat in einem Magazin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, dem Bund der Antifaschisten. Ort der Empörung: das Rechtsaußen-Magazin „Junge Freiheit“ und ihre große Schwester, die BILD-Zeitung. Jetzt darf man davon ausgehen, dass Faeser wohl wieder den üblichen Morddrohungen und Einschüchterungsversuchen von rechts ausgesetzt ist – was genau das Thema ihres Beitrags im Antifa-Magazin war. Und da heißt es immer, Deutschland sei ein Land, das sich mit Ironie schwertue. Nein, wir sind das ironischste Land der Welt. Wir merken‘s nur nicht.

Prompt sind vor allem Konservative mit der Situation überfordert – aber nicht alle: Namhafte CDU-Größen seien hier ausgenommen, etwa … Konrad Adenauer, der selbst Mitglied in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes war. In Bayern dagegen wird der Bund der Antifaschisten vom Verfassungsschutz beobachtet. Glückwunsch, dass dem Neo-Stasi so viel Zeit bei seinem Kampf gegen Verfassungsfeinde bleibt, dass er KZ-Überlebende und deren Sympathisanten überwachen kann.

Es ist also verfassungsfeindlich, gegen Faschismus zu sein. Das ist doch auch mal eine Erkenntnis. Und wenn der bayerische Verfassungsschutz gegen eine Organisation ermittelt, dann wissen wir auch schon, was Sache ist. AfD und Union gemeinsam gegen eine Innenministerin, die gegen Faschismus ist. Das scheint eine zukunftsträchtige Allianz zu sein.

Florian Schroeder, Kabarettist, studierte in Freiburg, lebt in Berlin und vergibt die chilli-Schote am goldenen Band.

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