Versteh einer die Deutschen – Wundersame Welten 4Literatur & Kolumnen | 06.10.2024 | Erika Weisser
Taqi Akhlaqi ist nicht aus Afghanistan geflüchtet. Er kam 2016 mit einem für zwei Jahre gewährten Arbeitsstipendium der Heinrich -Böll-Stiftung bequem und gefahrlos nach Deutschland.
In gelegentlichen Alpträumen im viel zu kurzen Bett in Bölls Haus in Düren wird er jedoch von der Vision heimgesucht, einer von jenen zu sein, die auf dem Weg in die erhoffte sichere Zuflucht manchmal gerade so mit dem Leben davonkommen. Oder oft auch nicht.
Ein wenig plagt den Autor das mit seinen Landsleuten solidarische Gewissen schon: Aufgrund seines Status kann er ungehindert und ohne Angst durch das Land reisen und neugierig die „wundersame Welt der Deutschen“ erkunden. Und er muss sich dabei keine Sorgen um morgen machen.
Was Akhlagi, der sein Land wegen der Rückkehr der Taliban 2021 schließlich doch fluchtartig verließ, von seinen zuweilen skurrilen Beobachtungen, Begegnungen, Zufallsgesprächen und Erlebnissen niederschreibt, liest sich wie eine humorige, selbstsatirische und niemals lächerliche Chronik eines Toren, der auszog, das Staunen zu lernen.
Über verwirrende Eisenbahnsysteme, über dysfunktionale öffentliche Toiletten. Und vor allem darüber, dass offenbar doch nicht alle Deutschen Zeilen aus Nietzsches Zarathustra zitieren können.
Versteh einer die Deutschen
von Taqi Akhlaqi
Übersetzung: Jutta Himmelreich
Verlag: Sujet, 2024
275 Seiten, Paperback
Preis: 19,80 Euro