Bei den Tourismusrekorden in Freiburg zeichnen sich auch Verlierer ab Politik & Wirtschaft | 22.03.2019 | Lars Bargmann

Jahrbuch

In Freiburg purzeln weiter die Tourismusrekorde: So hat die Zahl der Gäste-Übernachtungen im vergangenen Jahr mit einem satten Plus von 10,1 Prozent und damit 1,71 Millionen eine neue Marke gesetzt.

Auch die Tourismusregion Schwarzwald legte mit 22,2 Millionen Übernachtungen einen neuen Rekord hin. Franziska Pankow, Tourismus-Chefin bei der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM), goss aber auch „Wasser in den Wein“: Die Umsätze und die Bettenauslastung bei den inhabergeführten Betrieben in Freiburg sind rückläufig.

Die unlängst aufgestellten Neubauten der Hotelketten Hampton by Hilton, Super 8, Holiday Inn Express und Motel One bringen die Privaten in Bedrängnis. Im Internet platzieren sie sich erfolgreicher, sie haben Stammkundschaft, und offenbar buchen auch viele Menschen nach dem Motto: „Da weiß man, was man hat.“ Ohne die Ketten wäre der Zuwachs um fast 160.000 Übernachtungen nicht möglich gewesen. Gut für den Einzelhandel, gut für die Gastronomie. Aber die Privaten zahlen zum Teil die Zeche des Rekords.

Jahrzehntelang war Freiburg auf der To-do-Liste großer Hotelketten unter der Rubrik „Kann man machen, muss man aber nicht“ vermerkt. Dann begann die Zeit des günstigen Geldes und niedriger Renditen, das Kapital drängte und drängt immer stärker in Immobilien, so ist der Bau von Hotels heute „nicht mehr nachfragegesteuert“, sagt Pankow.

Und es geht ungebremst weiter: Mit dem Adagio access Aparthotel und dem Centro-Hotel auf dem Güterbahnhof, das die Unmüssig Bauträgergesellschaft Baden baut, dem Adina Apartment Hotel auf dem Ganter-Areal und dem Courtyard-Hotel neben der neuen Volksbank-Zentrale am Hauptbahnhof kommen in nächster Zeit noch einmal 550 Zimmer dazu. „Der Markt ist gesättigt“, sagt die neue FWTM-Geschäftsführerin Hanna Böhme.

Idylle an der Dreisam: Freiburg gilt als Green City…

Erst neulich habe sie das so auch einem Investor geschrieben, der sich in Freiburg ebenfalls mit Neubauplänen befasst. Wie stark sich der Bauwillige dafür interessiert, bleibt abzuwarten. Die FWTM könne jedenfalls ihr Ziel, den Tourismus in Freiburg nachhaltiger und qualitätsvoller zu gestalten, besser mit den inhabergeführten Betrieben erreichen: Mit Menschen, die in der Region fest verankert sind, mit Betrieben, bei denen die Ansprechpartner über Jahre die gleichen bleiben. Kettenhotels allein brächten die Stadt nicht vorwärts.

Das Beratungsunternehmen Horwath HTL hat unlängst einen Marktbericht erstellt, in dem ein „Future Performance Index“ aussagen soll, in welchen Städten es sich trotz des anhaltenden Hotelbooms in Deutschland noch lohnt, weitere Häuser zu bauen. Ganz oben auf der Liste: Heidelberg mit einem Index von 1,6. Freiburg liegt mit 1,16 auf dem neunten Platz. Zahlen kleiner als eins (Schlusslicht ist Mainz mit 0,87) signalisieren, dass hier die Nachfrage schwächer wächst als die Hotelkapazitäten. Demnach ist der Markt in Freiburg noch nicht ganz gesättigt. In Heidelberg kommen bis 2020 rund 60 Prozent neue Betten hinzu – das sind 3500.

Auch dort mehren sich aber schon die kritischen Stimmen. Das Hamburger Abendblatt titelte neulich: „Bauboom: Wie viele Hotels verträgt die Stadt?“ Der örtliche Dehoga-Präsident Franz Klein sagte der Zeitung: „Wir benötigen klare Strukturen für die Weiterentwicklung des Hamburger Hotelmarkts.“ Die Übernachtungskapazitäten stiegen „weitaus schneller“ als die Zahl der Gäste. In der Hansestadt sind derzeit zehn Hotels mit mehr als 2000 Zimmern im Bau.

Die gestiegenen Kapazitäten in Freiburg belasten weniger die Ketten, dafür mehr die Privaten. Deren Zimmerauslastung ist nach Angaben von Josef Dold vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Freiburg-Stadt (Dehoga) seit 2015 um 3,8 Prozent, die Umsätze gar um 5,5 Prozent zurückgegangen. „Das Kind ist fast schon in den Brunnen gefallen, wir müssen aufpassen, dass es nicht ersäuft“, sagt der Freiburger Dehoga-Vorsitzende Christoph Glück.

… Hat aber auch architektonische Hingucker wie die neue UB hinter dem alten Stadttheater.

Diese Entwicklung „drückt uns kräftig“, so Dold. Einige Private haben in den vergangenen Jahren aber auch zu wenig investiert – entweder aus eigenen Erwägungen oder weil sie ihr Hotel nur gepachtet haben, und der Eigentümer lieber kassiert als investiert. Ein Beispiel wäre etwa das Hotel Rappen am Münsterplatz. Es ist nicht das einzige. „Wir haben viele Betriebe mit Nachholbedarf“, räumt Dold ein. Es gelte nun, das Tourismuskonzept umsetzen, „damit wir unsere Betten voll bekommen“.

Dieses Konzept gerät derweil immer mehr zu einer Zangengeburt. Weil die Themenliste so gut wie alle städtischen Ämter betrifft, muss die FWTM auch politisch Kärrnerarbeit leisten und ist Stammgast in vielen Ausschüssen des Gemeinderats. Neu ist unter Hanna Böhme („Wir sind zähe Kaugummis gewohnt“) ein Schulterschluss mit den Hoteliers, den es bisher so nicht gab. Der frühere FWTM-Chef Bernd Dallmann, Alt-Oberbürgermeister Dieter Salomon und der vorherige Finanzbürgermeister Otto Neideck hätten sich für den Tourismus „nicht groß interessiert“, erzählt Glück im Gespräch mit dem business im Breisgau. Das inhabergeführte Hotel müsse das „Markenzeichen von Freiburg“ sein. Ob das aber beim Buchen der Gäste über die einschlägigen Portale eine Rolle spielt?

Die Hoteliers setzen unter anderem auf einen volleren Veranstaltungskalender. „Unsere Häuser sind bereits voll“, entgegnete Böhme. Für noch mehr Tagungen und Messen fehlten auch weitere Raumangebote. Heidelberg will 2022 ein neues Kongresszentrum eröffnen. Die FWTM will 2020 das 900-jährige Stadtjubiläum für eine Gästeoffensive nutzen: „Das Jubiläumsjahr nicht zu nutzen“, sagt Böhme, „wäre fatal.“

Statistik

In die Statistik des Landesamts fließen nur die Übernachtungen in Betrieben mit mindestens zehn Betten (Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Campingplätze, Jugendherberge) ein. Kleinere werden wegen des hohen bürokratischen Aufwands nicht erfasst. In der Regel verdoppelt sich die Zahl der Übernachtungen, wenn auch die kleineren Häuser und Ferienwohnungen (siehe Artikel zu „Airbnb“, S. 9) mitgezählt würden. Das waren dann für Freiburg 3,42 Millionen. Jeden Tag übernachten also knapp 9400 Menschen in Freiburg – in fremden Betten. Einheimische nicht mitgezählt.

Top Ten der Länder

Die Schweiz führt mit 140.673 Übernachtungen (plus 7 Prozent zum Vorjahr) die Liste der ausländischen Gäste an. Dahinter liegen Frankreich (42.260, plus 6 Prozent), Spanien (41.957, plus 7,8 Prozent), die Niederlande (38.285, plus 14,5 Prozent), die USA (36.742, plus 5,9 Prozent) und Italien 36.499, plus 4,3 Prozent). Weniger Gäste kamen aus Russland (14.417, minus 13 Prozent), Israel (11.533, minus 17,4 Prozent) und den Arabischen Golfstaaten (20.219, minus 11,3 Prozent).

 

Schwarzwald erneut mit Rekord

Mehr als 22 Millionen Übernachtungen

Der Tourismus im Schwarzwald hat 2018 wieder neue Rekordmarken gesetzt: In den gewerblichen Beherbergungsbetrieben wurden 8,627 Millionen Gästeankünfte gezählt, rund 315.000 oder 3,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Übernachtungen stieg um 518.986 (+2,4 Prozent) auf den neuen Rekordwert von 22,207 Millionen.

„Damit trug der Schwarzwald einmal mehr zum neuen Gästerekord in Baden-Württemberg bei. Knapp 38,5 Prozent der Gästeankünfte im Land und 40,5 Prozent der Übernachtungen entfallen auf den Schwarzwald“, bilanzierte Geschäftsführer Hansjörg Mair vom Dachverband Schwarzwald Tourismus GmbH in Freiburg. Die deutlichsten Zuwächse gab es im mittleren Schwarzwald. Bei den Angaben des Statistischen Landesamtes werden nur Betriebe mit mindestens zehn Betten erfasst. Im Schwarzwald sind das nur knapp 3000 von rund 12.000 Gastbetrieben.

28,7 Prozent der Gäste oder 24,6 Prozent der Übernachtungen entfielen aufs Ausland. Die Schweiz (1,688 Millionen Übernachtungen, plus 4,4 Prozent) baute ihre Führung aus. Dahinter rangieren die Niederlande mit 663.045 Übernachtungen (+0,6 Prozent vor Frankreich mit 620.257 Übernachtungen (+5,3 Prozent). Im krassen Gegensatz zu Freiburg, wo die Zahlen der russischen Gäste um 13 Prozent zurückgingen, kletterten sie im Schwarzwald um satte 19,2 Prozent nach oben.

Besonders gefragt waren die Campingplätze: Sie verzeichneten ein Gästeplus von 28,6 Prozent und ein Übernachtungsplus von 18,1 Prozent. Auch Ferienhäuser und Ferienwohnungen profitierten mit einem Anstieg der Gäste (10,6) und der Übernachtungen (6,1) überdurchschnittlich. In Gasthöfen und Pensionen sind die Zahlen weiter rückläufig.

In ganz Baden-Württemberg legte die Zahl der Gästeankünfte um 3,7 Prozent auf 22,4 Millionen, die Zahl der Übernachtungen um 3,6 Prozent auf rund 54,9 Millionen zu.

Fotos: © pixabay; FWTM/Schoenen, FWTM/Müller