504 Euro im ersten Lehrjahr? Möglicher Mindestlohn für Azubis sorgt für Diskussion Politik & Wirtschaft | 21.03.2019 | Philip Thomas

Nur 310 Euro verdienen Fleischer-Azubis im deutschen Osten. Die Regierung plant daher einen Ausbildungs-Mindestlohn: 504 Euro soll es für Auszubildende im ersten Lehrjahr geben, fordert die CDU. Die SPD macht sich für 660 Euro stark. Bei Kammern und Verbänden stößt die Idee auf Bedenken. Eine Friseurin ist von einer Untergrenze überzeugt.

„Der Gedanke ist nichts Ungewöhnliches“, sagt Mario Bossler, Leiter Mindestlohn am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Als Beispiel nennt der 33-Jährige Großbritannien. Dort gibt es seit 1999 einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn auch für Auszubildende. „Mir ist nicht bekannt, dass das dort ein Problem ist.“ Auch hierzulande würde der Arbeitsmarkt eine entsprechende Entlohnung verkraften. „Allerdings könnte der Mindestlohn bei Kleinbetrieben zu einer Belastung führen“, sagt er.

Längst nicht jede Branche wäre von einer Lohnuntergrenze betroffen. Oft liegt die Vergütung bereits über den aktuell angedachten Summen. Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung erhielten Betonbauer in Westdeutschland 2018 einen durchschnittlichen Ausgleich von 850 Euro und Hotelfachfrauen dort immerhin 706 Euro. Betroffen wären vor allem Handwerksberufe in den neuen Bundesländern. Dort verdienten Fleischer im ersten Lehrjahr 2018 durchschnittlich 310 Euro.

Wichtig ist für Bossler neben der Vergütung der Ausbildung auch die Perspektive hinter der Lehre. „Berufe müssen langfristig attraktiver gestaltet werden.“ Die Bezahlung sei neben Arbeitszeit, körperlicher Belastung und der Perspektive nur ein Faktor. „Es ist schwierig, das zu isolieren“, sagt der Experte.

Die meisten Berufe, die zur Industrie- und Handelskammer zählen, seien ohnehin nicht von einer Mindestlohnvergütung betroffen, erklärt Simon Kaiser, Leiter des Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein (IHK): „Die kaufmännischen sowie gewerblich-technischen Berufe bezahlen nach Tarifvertrag.“ Die Bezahlung dürfe schon jetzt nicht unter 20 Prozent der Vergütung nach Tarifvertrag liegen.

Kaiser steht dem möglichen Mindestlohn für Azubis kritisch gegenüber: „Wozu ein System, das gut funktioniert, mit Regeln behaften?“ Auch Wolfram Seitz-Schüle, Geschäftsführer der Handwerkskammer Freiburg, befürchtet, dass Betriebe wegen des Mindestlohns weniger ausbilden. Er sagt: Löhne und Ausbildungsvergütungen sind Sache der Tarifparteien. „Eine gesetzlich geregelte Mindestvergütung blendet Regions- und Branchenspezifika aus“, sagt er.

Von der Mindestvergütung würde Melissa Stramka nicht mehr profitieren. Die 21-Jährige hat vergangenes Jahr ihre Friseurausbildung in Herbolzheim abgeschlossen. Im ersten Jahr verdiente sie auf der Berufsfachschule nichts, im zweiten 435 und im dritten Lehrjahr 535 Euro. „Ich bin ein sparsamer Mensch, aber das war finanziell schwierig“, sagt Stramka. Einige Mitschüler hätten weniger als 350 Euro netto bekommen.

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