Authentischer Ort in bester Lage: Planung des NS-Dokumentationszentrums geht voran Politik & Wirtschaft | 23.07.2019 | ewei

Seit Januar 2019 ist Kathrin Ellwart seitens der Stadtverwaltung mit der Projektleitung des Informations- und Dokumentationszentrums zur NS-Zeit in Freiburg betraut. Nach sechs Monaten zieht die 51-jährige promovierte Pädagogin, die bis dahin im Büro des Ersten Bürgermeisters Ulrich von Kirchbach stellvertretende Leiterin war, „eine erfreuliche Zwischenbilanz“.

„Richtig viel“ habe sich getan seit dem einstimmigen Gemeinderatsbeschluss vom 24. Juli 2018 zugunsten des Zentrums, das neben einem Ausstellungsbereich auch einen Gedenk- und einen Lernort integrieren soll. So sei, und das ist für Ellwart der wesentlichste Faktor für die zügige Umsetzung des Vorhabens, mit dem ehemaligen städtischen Verkehrsamt beim Rotteckhaus eine „geradezu ideale Immobilie“ ausgewählt worden.

Sie ist „sehr dankbar“, dass Oberbürgermeister Martin Horn sich mit der Internationalen Studien- und Berufsakademie (ISBA), die das Haus gemietet hatte, auf die Rücknahme des Vertrags einigen konnte. Das sehe auch die Lenkungsgruppe so, der außer ihr auch der Direktor der städtischen Museen, Tilmann von Stockhausen, und Michael Wehner, der Leiter der Freiburger Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung angehören.

Für Projektleiterin Kathrin Ellwart ist der gewählte Standort im ehemaligen städtischen Verkehrs-
amt die „ideale Immobilie“ fürs geplante NS-Dokumentationszentrum in Freiburg.

Das 1936 nach Plänen des damaligen Stadtbaudirektors Joseph Schlippe errichtete Gebäude sei nicht nur deshalb ideal, will es sich in der von allen gewünschten zentralen Lage befindet. Sondern auch, weil das in unmittelbarer Nähe zum Platz der Alten Synagoge gelegene Haus als authentischer Ort, als städtebaulicher Zeuge der Vorkriegs-Nazizeit gelten kann: Im Keller waren Luftschutzräume untergebracht, die mitsamt schweren Türen, phosphoreszierenden Orientierungslinien und einer nach außen hermetisch verschließbaren Gasschleuse im Original erhalten sind. Und bleiben.

In einem Teil dieses Untergeschosses, erläutert Kathrin Ellwart bei der Ortsbesichtigung, sei als Teil der geplanten Dauerausstellung eventuell eine Dokumentation über die „Zwischenkriegszeit“ vorgesehen. Sie soll über die Ereignisse und Bedingungen informieren, die zum Aufstieg des Faschismus führten. Die Mitglieder des vor einem Jahr gegründeten und an der inhaltlichen Planung beteiligten Beirats sind sich nämlich einig, dass in dem Haus nicht nur um die Jahre von 1933 bis 1945 dokumentiert werden sollen, sondern auch um die Zeit davor und danach. Dieser Beirat besteht aus Vertretern öffentlicher Institutionen und zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Die Luftschutzräume im Keller bleiben als Zeugen der Vorkriegszeit erhalten.

Ein Bereich auf der Ebene des Erdgeschosses wird, so die aktuelle Planung, für die bei den Bauarbeiten am Platz der Alten Synagoge zu Tage geförderten Fundamentsteine reserviert. Hier soll ein separater Ort des Gedenkens entstehen. Hier wird aber auch Platz sein für einen Teil der Dauerausstellung, die im Obergeschoss mit etwa 350 Quadratmetern ihre Fortsetzung findet. Außer diesem „Herzstück des Hauses“  gibt es dort auch Räume für Wechselausstellungen zu bestimmten Themen. Zudem soll auf dieser Ebene ein innovatives „Geschichtslabor oder History Lab“ entstehen. Denn das Zentrum soll vor allem Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen.

Diese inhaltliche Ausrichtung, betont die engagierte Projektleiterin, sei bislang einmalig in Deutschland und vor allem Ausdruck des aktuellen Diskurses um die Gestaltung einer lebendigen Erinnerungskultur. Entsprechend „ambitioniert“ sei das Freiburger Vorhaben, das „Gedenken, Erinnern und Vermitteln“ unter einem Dach vereint. Die Konzeption wurde im Rahmen eines Beteiligungsworkshops und unter Beteiligung eines Fachbeirats und zweier Arbeitskreise bereits in den Grundzügen erarbeitet  und wird dem Beirat bei dessen Sitzung im November vorgelegt.

Doch zunächst gibt es eine Sitzung des Gemeinderats: Am 23. Juli berät er über die Rechtsform des NS-Dokumentationszentrums. Und damit auch über seine Finanzierung.

Fotos: © Achim Kaeflein, © privat