Muscheln, Speck und Biologische Strohhalme: Trotz schwerer Bedingungen – Freiburgs Pächter wagen den Wandel Szene | 06.09.2019 | Philip Thomas

Eichhalde

Am Münsterplatz werden jetzt Muscheln serviert, im Theatercafé spanische Tapas, in Herdern italienische Küche, an der Stelle des Mondo wartet neuerdings das restaurierte Johann auf Gäste und am Siegesdenkmal gibt’s nun Burger im Birkenwald. Was schmackhaft klingt, ist für Freiburgs Pächter finanziell oft ein hartes Brot.

„Das ist der normale Wandel“, kommentiert Christoph Glück, Freiburger Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), das Stühlerücken in der Szene. „Wir haben hier eine ausgewogene gastronomische Landschaft, aber manchmal fehlt es an der Innovationsfreudigkeit des Publikums und der Bereitschaft, Geld auszugeben“, sagt er. Die seien nötig, denn die hohen Pachten in der Stadt seien ein Problem für die Betriebe. Freiburg ist kein Industriestandort wie Stuttgart. Dort sei es üblich, mit der Belegschaft nach Feierabend einen Tisch zu reservieren.

„Wir haben aber auch Leuchttürme und Gaststätten, die eine Nische besetzen“, so der 42-Jährige. Als Beispiel nennt Glück die Eichhalde in Herdern. Dort steht Federico Campolattano hinter dem Herd. Der neue Pächter des frisch restaurierten Restaurants setzt auf Authentizität: „Wir bringen die echte, unverdeutschte Italienische Küche nach Freiburg“, sagt der Koch.

Aus seiner Küche komme keine Carbonara mit Sahne oder bauschaumähnliche Mozzarella. „Entweder Mozzarella di Bufala aus Kampanien, meiner Heimat, oder gar keine“, kommentiert er. Zwar arbeite er auch mit regionalen Erzeugern zusammen, bestimmte Produkte wie Guanciale, ein besonderer Schweinespeck, beziehe er aber lieber von Feinkosthändlern aus Italien. Was dort schmeckt, munde auch in Freiburg: „Gaumen ist Gaumen.“

Nach 21 Jahren weht auch ein frischer Wind durch das Heiliggeiststüble am Münsterplatz. Der prominente Standort bedeutet für den neuen Pächter Udo Groß nicht nur Verantwortung, sondern auch Nachhaltigkeit: „Ich achte darauf, dass meine Gäste wiederkommen.“ Weil der Tourismus in der Stadtmitte besonders boomt, sei das eine Herausforderung. In seiner Küche gehe es kreativ zu: Jakobsmuscheln mit Linsen werden dort etwa kreiert. Über den Beinamen „Stüble“ habe er sich gewundert: „Auf der Terrasse ist Raum für 90 Gäste, drinnen für 60 und im Veranstaltungsraum können nochmal 100 Platz nehmen.“ Diesen Platz hat nicht jeder, weiß Glück: „In Freiburg sind die Strukturen nicht überall optimal. Ohne Außengastronomie mit ausreichend Sitzplätzen fehlt Umsatz.“

Im neu eröffneten, 2,4 Millionen Euro teuren Pavillon im Schatten des neu platzierten Siegesdenkmals, hat die Kette Hans im Glück jetzt einen Grill aufgemacht. Beim Betreten der Burgerbude denken Besucher buchstäblich, sie stehen im Wald: Zahllose Birkenstämme zwischen 80 Sitzplätzen zieren das Lokal. Vor der Tür finden nochmal 100 Gäste Platz. Auf der Speisekarte finden sie neben fleischigen und veganen Pattys auch Snacks, Salate, Süßes und allerlei Durstlöscher, die durch biologische abbaubare Strohhalme geschlürft werden.

„Freiburg probiert gern Dinge aus. Das könnte ein neuer Hotspot werden“, sagt Bürgermeister Stefan Breiter über die neue Location mit öffentlicher Toilette. Er überlegt, ob es mit den Anwohnern Ärger wegen der Lautstärke geben könnte. Still und heimlich hat die Freiburger Verkehrs AG (VAG) ein Hinterzimmer in dem Häuschen angemietet, schließlich befindet sich am Gebäude die neue, zentrale Europaplatz-Haltestelle.  VAG-Geschäftsführer Stephan Bartosch erinnert sich bei der Eröffnung an seine Studienzeit: „Die Freude über Mitbewohner ist immer dann besonders groß, wenn diese kochen können.“

Foto: © Philip Thomas