Organspende: Warum „Junge Helden“ für die Widerspruchslösung sind STADTGEPLAUDER | 12.09.2019

Etwa 90 Prozent der deutschen Bevölkerung nähmen selbst ein Organ an, wenn sie darauf angewiesen wären. Das ist viermal öfters der Fall, als selbst einmal Organspender oder -spenderin zu werden. In ihrem Gastbeitrag erklärt Anna Barbara Sum von der Initiative „Junge Helden“ warum für sie die Widerspruchslösung der richtige Weg ist.

84 Prozent der Deutschen stehen der Organspende positiv gegenüber. Dennoch gab es 2018 hierzulande nur 955 Organspenden. Täglich sterben drei von rund 10.000 Patientinnen und Patienten, weil sie nicht rechtzeitig transplantiert werden können.

Die Gründe für die geringe Zahl an Organspenden liegen in Deutschland weniger in der individuellen Einstellung als in der strukturellen Ausgestaltung. Es ist Zeit, etwas grundlegend zu ändern, Zeit, ein System durchzusetzen, das der hohen Bereitschaft der Bevölkerung zur Organspende Rechnung trägt, Zeit für die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und anderen vorgeschlagene Widerspruchsregelung: Die besagt, dass jeder Organspender ist, es sei denn, er widerspricht zu seinen Lebzeiten.

Bei der aktuellen Gesetzeslage ist zwar jeder potentieller Organempfänger. Man wird jedoch nicht einmal mit der Frage konfrontiert, ob man auch Organe spenden möchte oder nicht. Mit der Widerspruchsregelung könnte das geändert werden. Sie ist ein klares Statement für eine solidarische Haltung: Man nimmt nicht nur, man gibt auch.

Dabei bleibt die Organspende freiwillig. Wer nicht spenden möchte, kann seine Entscheidung registrieren lassen. Ein Nein wird ebenso akzeptiert wie ein Ja. Es wird auch keinen Automatismus geben. In Deutschland wird die sogenannte doppelte Widerspruchsregelung diskutiert. Die Angehörigen werden in den Entscheidungsprozess über eine Organentnahme einbezogen und nach ihrer Zustimmung gefragt. Folglich: keine Organentnahme gegen den Willen der Angehörigen.

Da Deutschland schon seit Jahren deutlich weniger Organe an Eurotransplant abgibt – die Stiftung, über die die Spenderorgane aus acht Ländern zugeteilt werden – als es bezieht, wäre das auch ein wichtiges Zeichen der Solidarität. Deutschland ist das einzige Land in dem Verbund, in dem die Entscheidungslösung gilt. Mit der Widerspruchsregelung signalisieren wir unseren Partnerländern, dass wir was tun, um nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben.

Gute Information ist gerade in einer Übergangsphase zwischen Beschluss und Durchsetzung einer Widerspruchsregelung sehr wichtig. Die Bevölkerung muss immer wieder mit dem Thema konfrontiert werden, damit die Organspende ein selbstverständlicher Teil des Nachdenkens über das eigene Lebensende wird. Auch im anderen Ländern wurden die Spenderzahlen erst durch den System- und Kulturwandel mit Einführung der Widerspruchsregelung höher.

Die Entscheidungslösung, die als Gegenentwurf etwa von Grünen-Chefin Annalena Baerbock vorgeschlagen wird, ist nichts weiter als eine „Aufschieberegelung“, die den Menschen auf den Wartelisten nicht helfen wird. Der Blick nach Großbritannien zeigt, dass die Möglichkeit, sich bei Amtsgängen als Organspender zu registrieren, nicht genutzt wurde: 2016 waren nur 35 Prozent der Bevölkerung registriert. Nun folgt man dort dem Beispiel Wales, wo 2015 die Widerspruchsregelung eingeführt wurde: Dort lag die Zustimmung zur Organspende vor der Änderung bei rund 50 Prozent, 2017/18 schon bei 70 Prozent. Die Widerspruchsregelung ist also ein Bekenntnis zu einem solidarischen Ansatz bei der Organspende: Ich würde nehmen, also gebe ich.

Was sagen Bundestagsabgeordnete zur Widerspruchslösung? Politiker zur Organspende
Mehr zum Verein „Junge Helden“ gibt’s auf: www.junge-helden.org

Foto: © Christoph-Thoresen

Operation Organspende: Freiburger Ärzte, Patienten und Abgeordnete in kontroverser Debatte