Party, Politik, Repression: 25 Jahre KTS Szene | 30.11.2019 | Till Neumann

Ein Vierteljahrhundert gibt’s das Autonome Zentrum KTS in Freiburg schon. Immer wieder steht es im ­Fokus von Behörden oder rechten Gruppierungen. Dennoch sind dessen Vertreter umtriebig wie eh und je. Dem chilli erzählen drei Aktivisten von Unabhängigkeit, fliegenden Fäusten und vereitelten Attacken.

Feiern und Aufmischen gehen in der KTS Hand in Hand. Während die einen bei der Jubiläumswoche Partys, Vorträge und Diskussionen organisieren, besetzen andere Häuser. Wohl nicht zufällig steigen zur Geburtstagsfeier im Oktober die „Squatting Days“ (Besetzertage).

Die Aktivisten machen sich so nicht nur Freunde. Auf dem Radar der Behörden sind sie ohnehin. 2017 durchsuchte das Landeskriminalamt das Gebäude. Gefunden wurden unter anderem Schlagstöcke und Butterfly-Messer. Hintergrund war ein Verfahren gegen die linksradikale Website ­linksunten.indymedia.

Die KTS (Kulturtreff in Selbstverwaltung) als gefährlich einzustufen, ist für den Mittvierziger Thomas „totaler Quatsch“. Nur eine der beschlagnahmten Waffen sei illegal gewesen. Und das nur, weil die Schleuder (Zwille) eine Armstütze hatte. Die Messer seien stumpf gewesen. „Das wurde ­aufgebauscht“, sagt der Hobby-Kampfsportler. Im Gegenteil: Dank der Durchsuchung sei die Gewaltlosigkeit der KTS seither „staatlich geprüft“. Er ergänzt später: „Die größte Gefahr, die von der KTS ausgeht, ist ihre Überzeugungskraft auf die Jugend.“

Nicht immer ist ihnen zum Scherzen zumute. Drei Aktivisten erzählen von brenzligen Momenten: 2013 wurde ein Mann gestoppt, der – so erzählen sie – mit einem Modell­flieger Bomben auf die linken Aktivisten werfen wollte. 2009 habe es ebenfalls eine Festnahme gegeben – vor einem möglichen Angriff auf die KTS mit Sprengstoff. Die Staatsanwaltschaft bestätigt die Festnahme, teilt jedoch mit: „Anschlagsvorbereitungen konnten damals nicht nachgewiesen werden.“ Auch Spuren von „Brandanschlägen“ seien am Gebäude zu erkennen, erzählen die drei weiter.

Ob die Aktivisten Angst vor Attacken haben? Nein, sagen sie beim Interview in der KTS an den Bahngleisen oberhalb der Basler Straße. Ihre Identität wollen sie schützen. Die Vornamen sind erfunden. Persönliche Informationen geben sie nur spärlich preis. Das zeigt sich auch beim Fotografieren des linken Zentrums: Einige ziehen sich vorsichtshalber Schals und Tücher übers Gesicht.

Umtriebig: Die Aktivisten vor ihrem Headquarter (ganz oben) und im Stühlinger.

Ob alle Hausbesetzungen in Freiburg von der KTS aus organisiert werden? „Manches wird lieber außerhalb besprochen“, sagt Thomas. Er berichtet, dass der Verfassungsschutz derzeit verstärkt nach „Verrätern“ suche. „Sie sprechen Minderjährige an, bieten ihnen Geld für Informationen (über die linke Szene). Das ist politische Infiltration“, sagt Thomas. Die Repression nehme zu.

In der Stadt fühlen sich die drei dennoch respektiert und geschätzt. „Es hat seinen Grund, warum hier das letzte autonome Zentrum in Baden-Württemberg ist“, sagt Thomas. Die Unterstützung von Rathaus und Gemeinderat sei da. Mit den Bürgermeistern habe man keinen Kontakt. Das wertet er aber als Beleg von Zufriedenheit und Vertrauen.

Wichtig sei ihnen, unabhängig zu bleiben. Sie bekommen zwar vom Rathaus das Gebäude mietfrei zur Verfügung gestellt. Direkte Fördergelder möchten sie aber nicht beantragen. Denn das könnte Mitsprache bedeuten. „Wir lassen uns nicht reinreden“, sagen die KTSler.

Im Rathaus heißt es: Im Doppelhaushalt 2019/20 ist eine Pauschale von 265.060 Euro jährlich für die entgeltfreie Bereitstellung der Räume veranschlagt. Davon entfallen rund 25 Prozent auf die Atelierräume, die ebenfalls im KTS-­Gebäude sind.

Warum die KTS unterstützt wird? „Das steht im Kontext ­eines alternativen Kulturverständnisses, das durchaus auch kontrovers gesehen werden kann“, informiert die ­städtische Pressestelle. Das Zentrum werde als „ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens in Freiburg ­angesehen“.

Als Freiraum ohne gesellschaftliche Normen schätzt Lola die KTS. Auch ohne Geld könne man hierherkommen. ­Beispielsweise als Transsexueller. „Wir wurden erstaunlich oft totgesagt“, sagt Thomas, der seit 15 Jahren dabei ist. Man sei aber besser aufgestellt denn je. Im Gegensatz zu früher gebe es weniger Streit. Sich einzubringen, sei leichter. ­„Früher gab es auch mal über mehrere Plena krassen Streit.“

Als radikal und gewaltfrei sehen sich die Aktivisten. Fäuste fliegen dennoch hin und wieder. Beim letzten Nazibesuch habe der Mann danach ins Krankenhaus gemusst. Für Lola, die erst seit zwei Monaten mitmacht, ist die KTS dennoch ein zweites Wohnzimmer. „Ein Ort zum Wohlfühlen.“ Wer Frauen an die Brüste lange, bekommt Schläge, erzählen sie. Thomas findet das richtig. Lola nicht. Das Schwierigste im Team seien dafür aber zwei ganz banale Dinge: Putzen und Zuverlässigkeit.

Fotos: © tln