Ruhe vor dem Sturm Corona-Krise: Vielen Firmen könnte das Schlimmste noch bevorstehen Politik & Wirtschaft | 26.06.2020 | Philip Thomas

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Die Zahlen sind verblüffend: Laut Statistischem Bundesamt haben im ersten Quartal weniger deutsche Unternehmen Insolvenz angemeldet als im pandemiefreien Vorjahreszeitraum.Im Krisen-Quartal sind es 4683 Betriebe, das entspricht einem Rückgang von 3,7 Prozent. Auch in Freiburg wurden weniger Pleiten gemeldet. Doch die Statistik ist trügerisch.

Die meisten Insolvenzen (788) im ersten Quartal meldete der Handel (1. Quartal 2019: 803). Für Stefan Hertel, Sprecher beim Handelsverband Deutschland, noch nicht das Ende der Fahnenstange: „Je nach Verlauf der Krise könnten wir am Ende der Entwicklung rund 50.000 Handelsstandorte verloren haben. Das wird eher zeitverzögert in den Zahlen sichtbar.“

Diese lesen sich für Freiburg so: Vom 1. März bis zum 1. Juni 2019 waren im Amtsgericht 182 Insolvenzanträge eingegangen, darunter 81 von Unternehmen. 2020 waren es im gleichen Zeitraum 124, 40 davon betrieblich. „Der Rückgang dürfte damit in Zusammenhang stehen, dass auch Schuldnerberaterstellen und Anwälte während der Hochphase der Corona-Pandemie nur eingeschränkt arbeiten konnten“, erklärt Amtsgerichtssprecher Arndt Ruhkopf. Hinzu komme, dass die Pflicht, einen Eigenantrag auf Insolvenz zu stellen, ab dem 27. März ausgesetzt wurde.

Auch für die 1450 Gaststätten und sonstigen Gastro-Betriebe fehlen bisher genaue Angaben. Sicher ist nur, dass Zapfhähne trocken blieben: „Wir haben in den vergangenen zehn Wochen kein einziges Fass Bier verkauft“, sagt Ganter Geschäftsführer Detlef Frankenberger. Immerhin: Keine der von Ganter belieferten Kneipen, Bars und Hotels habe sich bislang von der Lieferliste streichen lassen. Das sei im Raum Freiburg etwa jede zweite Gastronomie.

Absehbar ist laut Daniel Ohl, Pressesprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Baden-Württemberg, dass Umsätze bei den meisten Bars, Restaurants und Kneipen auch nach der Wiederöffnung unter dem Soll bleiben: Drei von vier Betrieben im Land könnten unter den aktuellen Bedingungen nicht wirtschaftlich arbeiten. Auch bei wieder geöffneten Hotels sieht es laut Ohl nicht gut aus: „Nur jeder fünfte Betrieb konnte übers Pfingstwochenende mehr als die Hälfte des Normalumsatzes erreichen.“

Zu diesem Zeitpunkt hatte das erst im Sommer 2019 wiedereröffnete Hotel-Restaurant „Kühler Krug“ in Freiburg-Günterstal bereits Zahlungsunfähigkeit gemeldet. Um 12.000 Euro habe Geschäftsführer Nico Stachel das Konto in der Krise überzogen, bis er die Reißleine zog. Beim Restaurant „Johann“ in der Wiehre waren auch 15.000 Euro Sofortkredit nicht genug.

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