Kontrovers (2): Sollen Impfungen und Tests den Kulturneustart ermöglichen? Kontrovers | 20.03.2021 | Ulrich von Kirchbach, Christoph Neubrand

Keine Kultur: Am 13. März „feierte“ dieses „Dogma“ in Freiburg schon sein Einjähriges. Und ein verlässliches Ende dieses Zustands – für die meisten wohl eher dieser Unzumutbarkeit – ist aktuell nicht in Sicht. Bei den Öffnungsszenarien gilt es unter anderem die Frage zu beantworten, ob Kultur für Geimpfte und frisch Getestete wieder möglich sein soll. In unserer neuen Rubrik „KONTROvers“ argumentieren jeweils Protagonisten für und wider.

„Mutig, nicht übermütig“

Warum Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach für grünes Licht für Geimpfte und Getestete ist

Ulrich von Kirchbach

Ulrich von Kirchbach: seit 2002 Kultur- und Sozialbürgermeister von Freiburg

Ja, wir brauchen wieder Kunst und Kultur und ja, wir brauchen das auch, solange es noch Corona-Fälle in unserer Stadt gibt. Es ist jetzt wichtig, mutig zu sein und trotzdem nicht übermütig zu werden; Perspektiven zu bieten und dennoch Vorsicht walten zu lassen. Dass das an sich kein Widerspruch ist, zeigen die Museen und Theater mit intelligenten Konzepten für Öffnungen. Ich bin davon überzeugt, dass es möglich ist, ohne Infektionsgefahr Kunst und Kultur zu genießen. Wir haben die Schnelltests, die immer besser verfügbar und leichter anzuwenden sind, und es gibt immer mehr Menschen mit Impfschutz. Die Menschen brauchen jetzt Zuversicht und Perspektive.

Jede und jeder sollte die Möglichkeit haben, ohne Risiko Veranstaltungen zu besuchen. Das ist mein Wunsch für dieses Frühjahr und ich denke, dass das vielen Menschen helfen wird, die letzte Phase mit Einschränkungen und täglichen Corona-Meldungen besser zu bewältigen. Die Kultur fehlt und das Leben muss zurückkommen. Und das wird vor allem geschehen, wenn etwa die Theater wieder Angebote haben.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Kunst- und Kulturszene so viel Durchhaltevermögen und Kreativität gezeigt und viele digitale Formate umgesetzt hat. Aus der Not sind so neue Ideen entstanden. Gleichzeitig haben die Kunst- und Kulturschaffenden hart daran gearbeitet, mit Hygienekonzepten Öffnungen  zu ermöglichen. Das muss jetzt belohnt werden. Die Lage für die Kulturschaffenden spitzt sich zu, und die Menschen haben Hunger nach der Kultur. Sie lechzen förmlich danach, denn das Digitale hat sich allmählich abgenutzt. Es wird auch nach der Pandemie nur eine Ergänzung bleiben. Und das ist auch gut so.

Meiner Meinung nach sollte deshalb Geimpften der Besuch von Theatern und Veranstaltungen möglich sein. Natürlich gelten auch für diese Hygienebestimmungen und Abstandsregeln. Wir müssen auch Personen, die nicht geimpft werden dürfen oder noch kein Impfangebot haben, eine Perspektive bieten. Die Teilhabe an Kunst und Kultur ist wichtig und das muss für alle gelten. Die Menschen könnten über eine App oder eine Bescheinigung nachweisen, dass sie vor Kurzem einen negativen Schnelltest gemacht haben.

Ich freue mich auf die Rückkehr der Kunst und Kultur aus dem Digitalen ins Analoge. Mit Impfungen, Hygienekonzepten, Kontaktnachverfolgung und Tests wird uns das verantwortungsbewusst gelingen. 

„Das wäre nicht gerecht“

Warum Dompfarrer Christoph Neubrand gegen grünes Licht für Geimpfte ist

Christoph Neubrand

Christoph Neubrand: seit 1. Oktober 2019 ­Dompfarrer am Freiburger Münster

Um es vorweg zu sagen: Sobald es für mich möglich ist, lasse ich mich impfen! Wenn ich sehe, wie viel Leid Covid-19 in diese Welt gebracht hat, dann finde ich dies nicht nur des Eigenschutzes wegen wichtig, sondern auch, um der Pandemie Millionen Stopp-Schilder in den Weg zu stellen.

Trotzdem bin ich dagegen, dass es sozusagen die „grüne Ampel“ für jene gibt, die geimpft sind, oder die „rote Ampel“ für jene, die (noch) nicht geimpft sind. Als Kirche bieten wir im Sinne des Gesetzgebers viele sehr unterschiedliche Veranstaltungsformate an: Gottesdienste in sehr unterschiedlicher Art, Gruppen für Kinder, Jugendliche, Frauen, Senioren, zur Vorbereitung auf Erstkommunion, Firmung. Gespräche mit Trauernden; Eltern, deren Kind getauft werden soll, Paaren, die heiraten wollen, Sitzungen …

Ich mache mich stark dafür, dass das, was sicher möglich ist, auch getan wird und getan werden darf, und ich weiß, wie viel Kraft die Durchsetzung von Hygienekonzepten braucht. Es braucht jetzt und sicher noch lange Abstand halten, Hände desinfizieren, Mund-Nase-Bedeckung und das ein oder andere mehr.

Wer soll da in Zukunft zusätzlich zu den Hygienemaßnahmen, die es ja trotzdem braucht, kontrollieren: Geimpft, also herein. Nicht-geimpft, also die Tür bleibt zu? Ehrenamtliche werden dies nicht tun wollen und können, Hauptamtliche nicht tun dürfen, und über allem steht ja auch der Datenschutz. Und wie viel Stress wird es geben, wenn jemand nicht hinein darf, obwohl er nicht krank ist, nicht in Quarantäne …

Und dann ist ja noch das Thema: Darf ich jemanden bestrafen, der etwas noch nicht hat, obwohl er es noch gar nicht haben kann, weil es noch gar keinen Impftermin für diesen konkreten Menschen gibt? Das ist aus meiner Sicht nicht vermittelbar und auch nicht gerecht.

Und solange nicht zu 100 Prozent klar ist, dass Geimpfte sicher nicht Virenübertragende sein können, sind diese ja immer auch noch ein – wenn auch begrenzteres – Risiko für andere. Deshalb plädiere ich dafür, dass sich möglichst viele Menschen möglichst zügig impfen lassen; dass Veranstalter auch weiterhin auf die Einhaltung der Hygienekonzepte achten; dass wir uns an dem freuen, was möglich ist, und nicht immer auf das schielen, was jetzt noch verboten ist. Nicht zuletzt gilt es, nicht ängstlich zu sein, aber vorsichtig zu bleiben und ich sage: „Behüt’ Sie Gott!“ 

KontroVers

In der Reihe „KontroVers“ beleuchtet das Freiburger chilli-Magazin seit Febuar 2021 umstrittene Themen in und aus Freiburg. Gastautor:innen aus der Stadt nehmen dazu Stellung – mit einem Pro und einem Contra, so zeigen sie verschiedene Perspektiven und geben Denkanstöße. „KontroVers“ erscheint monatlich im Printmagazin, die Beiträge werden danach auch online veröffentlicht.

Fotos: © iStock.com/ ozgurcankaya, Julia Rumbach, Erzdiözese Freiburg, freepik

Kontrovers: Wie sinnvoll ist mehr Videoüberwachung?