Wegen Gruchsbelästigung: Kaufvertrag wird rückabgewickelt Bauen | 02.09.2021 | Lars Bargmann

Fauler Korken Einmal Nase rümpfen bitte: Faule Korken sind kein olfaktorischer Genuss.

Es war unerträglich“, sagt Carolin Cohen über das Wohnen in ihrem neuen Eigenheim. Unerträglich war der Gestank. Grund war die Belastung mit Chloranisol. Der Verkäufer des schmucken Eigenheims wusste von der Belastung, verschwieg sie aber arglistig. Das Landgericht Offenburg beschloss, dass der Kauf rückabgewickelt werden muss.Auf jeden Cent. Gewonnen hat das Verfahren die Baurechtsspezialistenkanzlei Steiger, Schill und Kollegen in Staufen.

Aus einer Wohnung im Dreisamtal ins erste eigene Haus in Rheinbischofsheim bei Achern, das war der Traum der Familie Cohen. Doch der wurde zum Albtraum. Ehemann Nadav Cohen ließ im neuen Heim eine Wand zwischen Küche und Wohnzimmer rausreißen, wenn er abends wieder zu seiner jungen Familie kam, roch er seltsam. Nach dem Einzug wurde es immer schlimmer. 

Carola Cohen recherchierte im Netz, fand schließlich die Firma Stelly Hausrenovierungen GmbH mit Sitz in Weissach im Tal bei Heilbronn. Der Geschäftsführer Peter Stelly kam vorbei, betrat das Haus und wusste sofort: hier war er schon einmal. „Wir hatten Glück, dass Frau Cohen genau bei der Firma gelandet war, die für die Verkäufer schon einmal ein Angebot zur Sanierung eingeholt hatte, den Geruchsmangel aber, wie auch die verbauten Asbestplatten, im Kaufvertrag verschwiegen hatte“, erzählt Nina Wolber von der Kanzlei Steiger, Schill und Kollegen, die in jüngeren Ausgaben von brandeins, Capital und FOCUS zu den besten Baurechtskanzleien Deutschlands gezählt wird.

„Zu den versteckten, also bei der Besichtigung nicht erkennbaren Mängeln versichert der Verkäufer ausdrücklich, von solchen nichts zu wissen, insbesondere nichts verschwiegen zu haben“, heißt es im Kaufvertrag. Für den Vorsitzenden Richter bestand kein Zweifel, dass die Verkäufer, ein Ehepaar aus der Gemeinde Lauf in der Ortenau, sehr wohl von nicht erkennbaren Mängeln wussten. 

Soziale Toxizität nennt Wolber die Folgen vom Wohnen in einem Stinkhaus. Die Kinder müffeln in der Schule, die Verwandten sind froh, wenn sie wieder zu Hause sind, die Eltern müffeln am Arbeitsplatz, Bücher, Möbel, Autositze: Überall setzt sich der muffige Geruch – ähnlich dem eines verkorkten Weines – fest.

Die Cohens sind dabei kein Einzelfall: So gut wie alle Fertighäuser, die in den 70er-Jahren gebaut wurden, enthalten Holzschutzmittel auf Spanplatten – das war seinerzeit eine behördliche Auflage –, die heute ausdünsten. Und den Bewohnern das Bewohnen vermiesen. Eine andere Familie, die sich ebenfalls durch die Staufener Kanzlei vertreten lässt, ist wegen der Geruchsbelästigung aus dem gerade erst gekauften Haus im Hochschwarzwald direkt wieder ausgezogen. Die Familie war übrigens zuvor aus ihrer Wohnung ausgezogen, weil diese mit Formaldehyd belastet war.

Auch in Dieburg gibt es einen aktuellen Fall, den die Kanzlei beschäftigt. „Kaufinteressierte sollten vor dem Kauf gezielt Fragen nach Chloranisol und Asbest stellen und eine etwaige Belastung durch Experten untersuchen lassen“, sagt Wolber. Und etwaige Kosten beim Kaufpreis berücksichtigen.

Die Sanierung einer solchen Altlast – die ausdünstenden Bauteile werden dabei eingepackt – kostet schnell mehrere Zehntausend Euro. Peter Stelly wollte sich zu dem Vorgang und der grundsätzlichen Chloranisol-Belastung „der Presse gegenüber“ nicht äußern und verwies auf den Verband. Der HDH (Hauptverband der Deutschen Holzindustrie) ließ eine Anfrage der Redaktion unbeantwortet. 

Das von der Familie Cohen wieder zurückgegebene Haus steht übrigens auch heute, 18 Monate nach dem Urteil, noch leer.

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