Flink oder Bringman? chilli testet Lebensmittel-Kuriere Politik & Wirtschaft | 26.12.2021 | Till Neumann

Bringman Nehmen sich mehr Zeit: Die Bringman-Lieferer gehen im Edeka einkaufen.

Keine Zeit zum Einkaufen? Dann können Lieferdienste wie Flink oder Bringman weiterhelfen. Beide sind mittlerweile auch in Freiburg verfügbar, setzen aber auf grundlegend unterschiedliche Konzepte. Einen guten Ruf hat die Branche nicht.

Das Angebot klingt fulminant: Lebensmittel per App bestellen – geliefert wird in zehn Minuten. Turbo-Kuriere wie Flink machen das möglich. Seit Oktober ist das Berliner Start-up auch in Freiburg (nicht im ganzen Stadtgebiet). In Haslach machen wir den Härtetest: An einem Donnerstagabend legen wir per App 15 Artikel in den Warenkorb und ordern. 1,80 Euro Lieferkosten kommen obendrauf. Bezahlt wird per PayPal.

Die Bestellung schicken wir gegen 21 Uhr ab. Geliefert wird erst 20 Minuten später. Der E-Bike fahrende „Rider“ entschuldigt sich an der Tür, begründet den Verzug mit nicht ausreichend funktionierenden Rädern. Doch selbst 20 Minuten sind rasant.

Rider fahren nicht weit

Wie schaffen die das? Das würden wir uns gerne vor Ort anschauen. Doch Flink möchte keinen Besuch, PR & Influencer Marketing Manager Milena Trottnow antwortet schriftlich: „Wir haben ein tolles Team sowie ein eigenes System, um die Bestellungen schnellstmöglich zu bearbeiten. Außerdem darf der Lieferradius die zwei Kilometer nicht überschreiten, damit unsere ­Rider die Bestellung sicher und innerhalb der versprochenen Zeit liefern können.“ Um die kurzen Dis­­tanzen zu wahren, gebe es mehrere Lager. Partner dafür ist Rewe, erklärt Trottnow.

Aufgefallen sind uns Vor- und Nachteile: Geliefert wird von 8 bis 23 Uhr, das ist praktisch. Der Mindestbestellwert liegt bei einem Euro (nur in München sind es zehn). Die Auswahl ist jedoch begrenzt. Brot haben wir vergeblich gesucht. Auch die Preise sind teils erhöht: Für vegane Marken-Maultauschen zahlen wir 1,99 Euro.

Für nur 1,49 Euro gibt’s diese beim Lieferdienst Bringman. Das Start-up aus Offenburg ist ebenfalls auf Expansionskurs und in Freiburg verfügbar. Die Idee dahinter ist jedoch eine andere: Statt blitzschnell zu liefern, setzt Bringman auf Großbestellungen. Die Liefergebühr liegt bei 4,90 Euro, der Mindestbestellwert bei 30 Euro. An der Tür ist die Ware in frühestens drei Stunden – oder zu einem späteren Wunschtermin. Das Zeitfenster ist zweistündig: Also kommt die Lieferung zwischen 10 und 12 Uhr oder etwa zwischen 18 und 20 Uhr.

In der Bringman-App merken wir schnell: Das Sortiment ist deutlich größer. Die Kuriere gehen im Edeka um die Ecke einkaufen. Das gesamte Filialangebot ist verfügbar, bis zu 50.000 Artikel pro Supermarkt: Selbst Käse- und Wursttheke, frisches Brot und Sonderangebote sind dabei.

Zudem können Kunden mit dem Lieferanten chatten oder telefonieren und ihre Bestellung im Nachhinein bearbeiten. Angeben können wir auch, was passiert, wenn ein Artikel nicht verfügbar ist: nichts kaufen, eine Alternative holen oder Rücksprache halten. Günstig ist zudem: Wer sonntags seine Bestellung aufgibt, zahlt keine Liefergebühren. Die Übergabe ist dann am Montag oder später.

Zornige Fahrer streiken

Unsere Bestellung frisst anfangs Zeit: Bis der Warenkorb voll ist und alle Parameter eingestellt sind, hätten wir den eigenen Einkauf fast schon selbst geschafft. Dann läuft’s aber reibungslos. Der Lieferer meldet sich vorab sogar telefonisch und fragt, ob er in einem anderen Edeka einkaufen gehen kann. Der von uns ausgewählte sei recht klein, „da gibt’s nicht immer alles“, sagt der Bringman. Als er bezahlt hat, schickt er uns über die App ein Foto des Kassenbelegs. Es kommt günstiger als gedacht: Statt 39 Euro werden es nur 32,40 Euro. Wir bekommen 6,60 Euro Gutschrift.

Klar ist: Die Lebensmittel-Lieferer sind in Verruf. Schon Radkuriere von deliveroo, foodora und Lieferando kämpften für bessere Arbeitsbedingungen. Zuletzt war der Flink-Konkurrent Gorillas unter Druck: Im Juni streikten Angestellte für mehr Lohn, wetterfeste Kleidung und sicherere Beschäftigung. Arbeitsminister Hubertus Heil mischte sich ein. Ab Januar möchte Gorillas den Stundenlohn auf zwölf Euro anheben.

Flink

Muss Gas geben: Der Flink-Lieferant braucht beim Test doppelt so lang wie versprochen.

Flink zahlt das bereits, schreibt Milena Trottnow: „Unsere Rider und Picker sind bei uns festangestellt, mit einem unbefristeten Vertrag, und verdienen 12 Euro die Stunde plus Trinkgeld sowie die Möglichkeit auf einen Bonus. Zudem seien die Mitarbeiter „natürlich krankenversichert und bekommen Krankheits- sowie Urlaubstage bezahlt“. Das Unternehmen stelle den Fahrer·innen hochmoderne E-Bikes. Dazu gebe es „Helme und die der Jahreszeit angepasste Kleidung“.

Auch Bringman setzt auf den neuen Ampel-Mindestlohn, bestätigt Business Development Manager Jonas Link: „Die Bringman-Lieferer verdienen 12 Euro Stundenlohn plus Provision und Trinkgeld.“ Sie kommen meist per E-Auto.

Wie viele Bestellungen Flink und Bringman ausliefern, bleibt ihr Geheimnis. Jonas Link sieht jedenfalls großes Potenzial: „Der Markt ist riesig.“ Bisher liefert Bringman von Lörrach bis Karlsruhe. Ziel sei, in ganz Deutschland präsent zu sein. Flink ist da schon weiter: 41 Städte sind im Programm. Wie sehr beide um Kunden buhlen, zeigt sich nicht nur an den Werbekampagnen: Nach beiden Bestellungen bekommen wir zehn Euro Rabatt auf die nächste Lieferung.

Fotos: © Bringman, Flink