Zurück zum Dialog: José F. A. Oliver ist PEN-Präsident 4Literatur & Kolumnen | 04.11.2022 | Erika Weisser

José F. A. Oliver José F. A. Oliver geht das neue Amt problembewusst und zuversichtlich an.

José F. A. Oliver aus Hausach im Kinzigtal ist neuer Präsident des PEN-Zentrums Deutschland. Der Lyriker und Essayist, der im letzten Jahr für sein literarisches Werk den Heinrich-Böll-Preis erhielt, setzt auf Dialog und die Überwindung bestehender Querelen.

„Wenn mich etwas antreibt, ,Ja’ zu dieser Präsidentschaft zu sagen, dann ist das die Sehnsucht, im Dialog zu bleiben – aber auch wieder zu lernen, zuzuhören, Demut zu üben und vielleicht eine andere, kräftigere Sprache zu finden, die immer in der Sensibilität der Poesie zuhause sein sollte.“ Diese Passage aus der kurzen Ansprache, die José F. A. Oliver am 13. Oktober nach seiner Wahl zum Präsidenten des PEN-Zentrums Deutschland an die außerordentliche Mitgliederversammlung in Darmstadt richtete, klingt gleichermaßen problembewusst wie zuversichtlich.

Der 61-Jährige, der seit 25 Jahren den alljährlichen Hausacher LeseLenz organisiert, weiß, dass er ein „schwieriges Amt“ übernimmt, dass er in den kommenden zwei Jahren „sehr gefordert sein“ wird. Und er hat sich, nachdem das Angebot an ihn herangetragen wurde, „gut und lange überlegt“, ob er sich wirklich zur Wahl stellen soll. Doch nun nimmt er die Herausforderung gerne an und freut sich auf die damit verbundenen Aufgaben. Denn Oliver, der „immer ein Freund des Wortes und des Gegenwortes gewesen“ ist, traut sich zu, gemeinsam mit dem Team des neuen Präsidiums zumindest wieder ins Gespräch zu kommen mit den Autoren und Autorinnen, die sich nach dem viel beachteten großen Streit im Frühjahr 2022 von dem 1924 gegründeten, in Darmstadt ansässigen Schriftstellerverband abspalteten und im Juni als Alternative dann den „PEN Berlin“ konstituierten.

Wogen glätten

Ob es ihm gelingt, als „Fährmann“ die Wogen zu glätten und den Verband wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu bringen, ist ungewiss. Denn die Kluft zwischen den rund 650 Mitgliedern des PEN Deutschland und den knapp 200 Mitgliedern des Berliner Konkurrenzverbands ist tief. Doch José Oliver, der 1961 als Sohn einer arbeitsmigrantischen andalusischen Familie im Schwarzwald geboren wurde, in Freiburg Romanistik, Germanistik und Philosophie studierte und seit Jahrzehnten mit jungen Autoren und Autorinnen arbeitet, ist es gewöhnt, bei unterschiedlichen Interessen ausgleichend zu wirken und zwischen Konfliktparteien zu vermitteln. Und er kennt die meisten Kollegen persönlich: Durch seine Tätigkeit als Organisator des sehr erfolgreichen LeseLenzes ist er in einem umfangreichen literarischen Netzwerk zu Hause, das ihm nun ermöglicht, auch auf jene zuzugehen, die dem PEN den Rücken gekehrt haben.

Außerdem will er die Vereinigung ja ebenfalls entkrusten und reformieren: „Ich bin auch dafür, dass der PEN jünger und diverser wird, doch die Traditionen sollen auch berücksichtigt werden“, sagt er mit Blick auf seinen Vorgänger Deniz Yücel, der unter anderem mit dem Vorwurf zurückgetreten war, dass der PEN in Darmstadt zu alt, zu weiß, zu männlich sei. Es liege ihm aber auch am Herzen, der Bedeutung der Literatur wieder mehr Gewicht zu verleihen – und der Freiheit des Wortes sowie dem Schutz verfolgter Schriftsteller. Das seien Kernaufgaben des PEN.

Foto: © picture alliance Andreas Arnold