Der Koalitionsvertrag & seine Folgen: Was auf Unternehmen & Steuerzahler zukommen könnte Politik & Wirtschaft | 07.06.2018 | Lars Bargmann

Grundlegende Steuerreformen oder gar Vereinfachungen sind von der Großen Koalition auch in der laufenden Legislaturperiode wieder nicht zu erwarten. Stattdessen enthält der Koalitionsvertrag das erwartete Bündel an Einzelmaßnahmen.

Die Freiburger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Hecht Bingel Müller & Partner hat den Vertrag unter die Lupe genommen. Die Kernaussage ist: Für die Bürger soll es keine Steuererhöhungen geben. Aber was wird auf den Steuerzahler konkret zukommen?

Der Solidaritätszuschlag soll schrittweise abgeschafft werden. Ab 2021 soll eine – betragsmäßig noch nicht festgelegte – Freigrenze (mit Gleitzone) eingeführt werden. Wer mit seinem Einkommen unterhalb dieser Grenze liegt, muss keinen Zuschlag bezahlen. Ziel der Politik ist es, rund 90 Prozent der Steuerpflichtigen von einer Zahlung zu befreien. Die pauschale Abgeltungsteuer auf Zinserträge soll wieder abgeschafft, etwaige Zinserträge sollen nun wieder individuell besteuert werden. Einzelheiten der Individualbesteuerung (Zinsabschlag, Sparerfreibetrag, Werbungskostenabzug?) sind aber völlig ungeklärt. Die Abschaffung aber würde alle Sparer belasten, weil die auf ihre Erträge dann mehr als die 25 Prozent Steuern bezahlen müssten. Die Abgeltungsteuer auf andere Kapitalerträge (Dividenden, Aktiendepots) soll erhalten bleiben.

Keineswegs erhalten bleiben die Regelungen zur Grundsteuer: Im April hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Regelungen zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den alten Bundesländern verfassungswidrig sind. Betroffen sind: mehr als 35 Millionen Grundstücke. Das oberste Gericht hat dem Gesetzgeber eine erste Frist zur Neuregelung bis Ende 2019 eingeräumt. Bis dahin dürfen die verfassungswidrigen Regeln weiter angewendet werden. Zu erwarten ist, dass eine Reform der Grundsteuer für Immobilienbesitzer und deren Mieter erhebliche Mehrkosten zur Folge haben wird.

Bei der Grunderwerbsteuer sollen steuermissbräuchliche Gestaltungen (die sogenannten Share Deals) unterbunden werden. Zudem wird überlegt, einen Freibetrag für Familien beim erstmaligen Erwerb eines Eigenheims einzuführen. Das ist gesellschaftspolitisch absolut sinnvoll. Eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer in Baden-Württemberg würde hingegen vor allem den Mietwohnungsbau belasten. Und: Kindergeld und Kinderfreibetrag sollen erhöht werden.

Umsatzsteuer: Um Unternehmensgründungen zu fördern, soll für Unternehmen in den ersten beiden Jahren nach Gründung die Pflicht zur monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldung wegfallen.

Der Umsatzsteuerbetrug beim Handel von Waren im Internet soll bekämpft werden. Geplant ist, die Betreiber von elektronischen Marktplätzen, die den Handel unredlicher Unternehmen über ihren Marktplatz nicht unterbinden, für die ausgefallene Umsatzsteuer in Anspruch zu nehmen.

Das Ziel einer europäischen Unternehmensbesteuerung soll durch die Einführung einer gemeinsamen, konsolidierten Bemessungsgrundlage sowie Mindestkörperschaftsteuersätzen für Unternehmen in Europa erreicht werden. Das Vorhaben ist seit Jahren Thema, getan hat sich bisher – nichts.

Ob das bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft anders sein wird? Die EU-Kommission schlägt eine neue EU-Steuer für Internetkonzerne wie Google und Facebook vor. Besteuert werden sollen bestimmte Netzdienstleistungen (internetbasierte Werbe- und Vermittlungsleistungen). Es bleibt abzuwarten, ob und wenn ja wie sich das umsetzen lässt.

Mathias Hecht ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Gesellschafter bei der Hecht Bingel Müller & Partner Wirtschafts-prüfungsgesellschaft in Freiburg.
www.hbm-partner.de

Foto: © ns