Analyst Werner Krieger über Doping, Zombiestaaten und Bankencrashs Finanzwelt | 19.05.2023 | Werner Krieger

Porträt: Werner Krieger Werner Krieger (60): Finanzmarktanalyst, Gründer und Geschäftsführer der GFA Vermögensverwaltung GmbH.

Durch ein beherztes Eingreifen der US-Regierung konnten die Folgen der größten Bankenpleite seit der von Lehman Brothers 2008 abgewendet werden.Betroffen war die Silicon Valley Bank (SVB), die 173 Milliarden US-Dollar an Einlagen verwaltete und von denen nur 4,8 Milliarden durch die US-Einlagensicherung abgesichert war. Obwohl die Bank außerhalb der Gründerszene kaum bekannt ist, gehörte sie zu den 20 größten in den USA. Ihre Kunden sind nur Schwerreiche, die über die Bank Start-ups finanzierten. Worin lag nun das Problem bei der SVB-Bank?

In der Regel werden kurzfristige Anleihen schlechter verzinst als langfristige. Wer also bis vor einem Jahr sein Geld langfristig verliehen oder angelegt hatte, bekam mehr Zinsen. So nutzte die SVB das höhere Zinsniveau der lang laufenden Anleihen, um dort kurzfristige Kundeneinlagen anzulegen. Ihren Kunden konnte sie so eine attraktive Verzinsung gewähren – in der Hoffnung, dass ein Großteil der Kunden seine kurzfristigen Einlagen doch langfristig liegen lässt. Der SVB-Zins lag also um einiges höher als bei anderen Banken, was bei den Kunden gut ankam. Dieses Spiel geht nur so lange gut, wie die Masse der Anleger ihre kurzfristigen Einlagen nicht abräumt – vor allem nicht genau dann, wenn lang laufende Anleihen durch steigende Zinsen stark an Wert verlieren.

Nun haben die Notenbanken – besonders die Fed – im Kampf gegen die Inflation etwa vor einem Jahr damit begonnen, die kurzfristigen Zinsen schnell und aggressiv anzuheben. Die von der SVB-Bank erworbenen lang laufenden Anleihen rissen so erhebliche Löcher in die Bilanz. Das bekamen auch die SVB-Kunden mit und begannen, ihre kurzfristigen Einlagen massenhaft abzuziehen. In der Folge kündigte die Bank eine Kapitalerhöhung an, was die Kunden noch mehr verunsicherte. Bedingt durch die hohen Kursverluste der lang laufenden Anleihen konnte die SVB ab einem bestimmten Punkt die Einlagen nicht mehr auszahlen.

Quasi über Nacht garantierten die US-Regierung und die Fed die Sicherheit der 173 Milliarden US-Dollar Einlagen und verhinderten so Schlimmeres. Schließlich hätte daraus ein Banken-Run quer durchs Land ausgelöst werden können.

Die Geldpolitik fordert also weitere Opfer. Natürlich hat die SVB massiv gegen die goldene Bankregel, nach der die Dauer der Kapitalbindung nicht länger sein darf als die Dauer der Kapitalüberlassung, verstoßen. Der Chef des US-Einlagensicherungsfonds schätzt, dass der US-Bankensektor per Ende 2022 auf Buchverlusten von über 600 Milliarden US-Dollar sitzt. Die Kuh ist also noch nicht vom Eis.

Das Beispiel der SVB-Bank oder auch die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS stellen zwar klar, dass Staaten und Notenbanken alles unternehmen werden, um eine erneute Finanz- oder Wirtschaftskrise zu verhindern. Doch seit mindestens 15 Jahren werden bei jeder Rettungsaktion immer nur Symptome behandelt; jede Krise wird in noch mehr Liquidität ertränkt. Die Ursache der seit fast 20 Jahren immer wieder aufflammenden Krisen liegt aber viel tiefer und ist weder auf Corona noch den Ukrainekrieg zurückzuführen. In meinen Vorträgen und Webinaren zeige ich auf, dass das Ende der 80er-Jahre begonnene Doping mit stetig sinkenden Zinsen bei stark steigender Verschuldung Staaten und Notenbanken immer weiter in die Enge treibt. Wenn das Schuldenmachen aber nichts mehr kostet, können Staaten nicht widerstehen und der Sozialstaat wird immer weiter aufgepumpt.

Es gibt unter anderem zwei Optionen, um aus der Überschuldung herauszuwachsen: Entweder bleibt der Zins erträglich niedrig und bringt unsere Zombiestaaten und -unternehmen nicht in die Bredouille. Oder eine Inflation entwertet über längere Zeit die Staatsschulden auf ein erträgliches Maß. Wahrscheinlich wird beides passieren (müssen). Die Zeiten aber, in denen Europa durch starkes Wirtschaftswachstum aus seinen Schulden herauswachsen konnte, sind vorläufig vorbei. Wenn Zinsen weniger einbringen als die Inflation kostet, werden Anleger in Sachkapital wie Aktien investieren müssen.

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