Die Aromen des Alters: Selektionsweine aus „Alten Reben“ GASTRO & GUSTO | 02.08.2020 | Arwen Stock

Balingen Rebenland

Sie liegen voll im Trend: Weine aus „Alten Reben“. Die Kaiserstühler Winzer vom Silberberg sind Mitglied in der Ersten Markgräfler Winzergenossenschaft und vermarkten ihre Selektionsweine unter diesem Label. Ein Ortsbesuch in Bahlingen.

Steil gräbt sich der Lösshohlweg durch den Weinberg bergan. Noch eine scharfe Kurve, über eine sanfte Kuppe, dann thronen sie – umrankt von Rosen – über Bahlingen am Kaiserstuhl: die „alten Reben“. Wer dabei das Bild von schenkeldicken Rebstöcken aus Urzeiten im Kopf hat, liegt falsch. Der Laie sieht ihnen ihr Alter nicht an. Weine aus Grauburgundertrauben dürfen ab einem Stockalter von mehr als 20 Jahren das Prädikat führen, bei Weinen aus den dunkelblauen Burgundertrauben liegt die Grenze bei 30 Jahren.

Was bedeutet dann aber „alt“? „Normalerweise werden die Weinstöcke nach 15 Jahren herausgerissen“, erklärt Heiko Schapitz, „dann sinkt der Ertrag.“ Der 55-Jährige ist Geschäftsführer der Ersten Markgräfler Winzergenossenschaft (WG) Schliengen-Müllheim, zu der seit knapp zehn Jahren auch die Kaiserstühler Winzer vom Silberberg gehören. Als Diplom-Ingenieur für Weinbau und Önologie weiß er: In manchen Weingegenden gibt es hundertjährige Reben.

Weinreben

Brauchen besondere Sorgfalt: die „Alten Reben“.

Das ist am Kaiserstuhl aufgrund der Flurbereinigung in den 1970er- und 1980er-Jahren anders. Schapitz erklärt: „Hier ist kein Hang mehr, wie er gewachsen ist, denn der Löss lässt sich gut schieben.“ An die Bodenverschiebungen in dem Bahlinger Weinberg in den 1970er-Jahren erinnert sich Ursula Kaufmann. Die 61-Jährige Kauffrau und Nebenerwerbswinzerin leitet die Bahlinger Vinothek der Winzergenossenschaft und betont: „Die Besonderheit bei uns ist, dass wir hier kleinere Parzellen haben.“

Zehn Winzer bewirtschaften auf dem Silberberg Rebflächen für die „Alte Reben“-Weine – und das seit 20 Jahren. Wer auf „alte Reben“ setzt, bekommt weniger Ertrag. Das langsamere Wachstum, weniger Blätter und eine tiefere Verwurzelung der Stöcke sorgen jedoch für eine optimale Versorgung der Triebe, Blätter und Früchte – und das auch bei wenig Niederschlag. Wenn dann dem Winzer noch ein schöner Kopfschnitt des Rebholzes gelingt, werden die Triebe reichlich durchblutet und die wenigen Trauben können sich optimal im Aroma entwickeln.

Generell eignet sich nicht jede Sorte für das längere Wachstum der Stöcke. Nur Grauburgunder und Burgunder Trauben werden bei den Bahlinger Winzern zu „Alte Reben“-Wein verarbeitet.

Reine Handlese

Besondere Sorgfalt müssen die „Alte Reben“-Winzer nicht nur beim Schnitt walten lassen: Die Trauben sollten so lange wie möglich hängen bleiben, also bis in den Oktober. Außerdem dürfen die „alten Reben“ ausschließlich per Hand geherbstet werden.

Nach der Lese bringen die Bahlinger Winzer ihre Trauben zur WG nach Schliengen-Müllheim. Von 1908 bis 2011 wurden dort nur Weine von heimischen Hügeln gekeltert. Doch dann wollte sich die WG vergrößern. Die Bahlinger suchten einen neuen Vermarkter für ihre 1,5 Millionen Liter Wein jährlich. So kam es zur Markgräfler-Kaiserstühler Fusion.

Winzer bei der Arbeit

Einblick in die Arbeit der Winzer bietet eine Schleppertour auf dem Traktor

Ein weiterer Vorteil davon ist: Der neue Kellermeister Michael Nußbaumer hat laut Schapitz aus den Trauben der „alten Reben“ jüngst einen wunderbaren Grauburgunder kreiert, manche werden teilweise im Barique-Fass ausgebaut. Denn selbst die höchste Qualität der Trauben von „alten Reben“ ist keine Garantie für einen guten Wein. Da braucht es auch die Kunst des Kellermeisters.

Und wie wird das Weinjahr 2020? Bis dato scheint es ein gutes zu werden. Bis die aktuellen, noch grünen Trauben als Wein geerntet werden können, dauert es noch. Zur Lese leuchten im Weinberg in Bahlingen die Burgundertrauben dann tiefblau, die Grauburgunderfrüchte hellgrün. Die Weine aus ihnen wird man 2021 und 2022 verkosten können.

Info

Die WG bietet Schleppertouren durch die Bahlinger Weinberge mit historischem Güldner-Traktor und Anhänger. Gäste können dabei auch die „Alten Reben-Weine“ verkosten.
Terminvereinbarungen erfolgen über die WG: info@silberbergwein.de.

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Foto: © ars, Tanja Ernst