Gasthaus „Zum goldenen Engel“: Tradition trifft Innovation GASTRO & GUSTO | 04.07.2019 | Tanja Senn

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1507 erbaut, ist der Goldene Engel das älteste Gasthaus im Glottertal. Heute führen Isabelle Linder und Michael Mannel den Familienbetrieb – und schaffen dabei geschickt den Spagat aus historischem Charme und moderner Küche.

Die Geschichte des Engels lässt sich am Stammtisch ablesen, der in der holzgetäfelten Stube nahe der Theke steht. In seine Holzplatte sind unzählige Namen, Daten und Initiale eingeritzt. Als eines von wenigen Stücken hat der massive Tisch, an dem schon unzählige Runden Glottertäler Wein ausgeschenkt wurden, den Brand überlebt, der 1954 das komplette Gebäude zerstört hat. Im Originalstil wieder aufgebaut, hat das Gasthaus mit seiner hölzernen Fassade nichts von seinem Charme verloren. An den Fenstern blühen rote Geranien, innen hängen rot-weiß karierte Vorhänge, die Stuhllehnen zieren geschnitzte Weintrauben – Landgasthof-Idylle pur.

Und doch: Die Moderne ist überall – wenn auch oft nur hinter den Kulissen – eingezogen. „Man muss alles kontinuierlich auf dem Stand der Dinge halten“, betont Michael Mannel, „sonst hat man ganz schnell einen Investitionsstau.“ Seit seine Frau und er das Gasthaus im Jahr 2006 von ihren Eltern übernommen haben, wurde die erste und zweite Etage mit den Gästezimmern komplett renoviert, das Dach isoliert und die Küche saniert. Neuestes Projekt war im vergangenen Jahr der Bau der überdachten Terrasse. Während die Gäste früher noch auf der anderen Straßenseite unter den Linden gesessen sind, werden sie nun direkt vor dem Haus bedient. Das verhindert nicht nur das „Chaos bei schlechtem Wetter“, sondern schützt zudem die historische Holzfassade.

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Die 2018 gebaute Terrasse ist die neueste Investition von Isabelle Linder und Michael Mannel.

Auch in der Küche setzt Mannel immer wieder auf Neues. Speisen, die auf der Karte sind, weil sie dort nun mal seit Jahren stehen – so etwas gibt es bei dem 41-Jährigen nicht: „Wenn ich ein Gericht so und so oft gekocht habe, dann ist fertig, dann will ich etwas Neues.“ Bei den Rezepten lässt er sich aus aller Welt inspirieren. Ein Traditionsbruch? Im Gegenteil. „In unserer Region wird seit Jahrhunderten internationale Küche gekocht“, weiß er. Bestes Beispiel: gekochtes Rindfleisch mit Meerrettichsauce. Das sei eigentlich typisch österreichisch, gilt in Südbaden – das ja lange zu Vorderösterreich gehörte – aber als Traditionsgericht.

So kulturell offen seine Küche auch ist, bei den Zutaten legt der Küchenchef großen Wert auf Ware aus der Region. So stammt das Fleisch überwiegend vom Glottertäler Metzger Reichenbach, das Gemüse aus Vörstetten und die heimischen Forellen setzt der Fischhändler lebend in eine Kiste im Bach vor dem Gasthaus ein – die angelt das Küchenteam je nach Bedarf morgens mit dem Kescher. „Frischer geht es nicht.“ Auch mit Kleingärtnern arbeitet Mannel gerne zusammen. Haben die von einer besonderen Gemüsesorte mal nur eine Kiste voll, nimmt sie der gelernte Koch fürs Überraschungsmenü.

Wanderschuhe sind gern gesehen

Das steht für 38 Euro immer mal wieder auf der Karte. Für seine hochwertigen, aber dennoch günstigen Gerichte wird der Goldene Engel seit 2007 jedes Jahr vom Guide Michelin mit dem Bib Gourmand ausgezeichnet. Sie sind auch der Grund, dass in den Stuben und auf der Terrasse meist ein sehr gemischtes Publikum sitzt: Familien und Rentner, Ausflügler und Touristen, Wanderer und Geschäftsleute. Mit kurzer Hose und Wanderschuhen einkehren, den Hund mitbringen, nur eine Vorspeise essen – all das ist kein Problem. „Wir sind doch kein Gourmetrestaurant mit Krawattenpflicht“, sagt Mannel, „ein Gasthaus lebt davon, dass die Menschen kommen und gehen – und sich wohlfühlen.“

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Mehr als 500 Jahre alt und trotzdem immer einen Schritt voraus: das Gasthaus „Zum goldenen Engel“ .

Im Goldenen Engel funktioniert das ganz gut – vom viel besungenen Gasthaussterben ist hier nichts zu spüren: „Dafür stehen wir jeden Tag selbst im Haus.“ Auch die Konkurrenz im Glottertal, wo sich ein Restaurant nach dem anderen an die lange Durchgangsstraße reiht, sei kein Problem. Zehn der Wirte haben sich vor Jahren zum „Gastlichen Glottertal“ zusammengeschlossen. Sie tauschen sich aus, nutzen Synergien bei der Müllbeseitigung oder dem Marketing und planen gemeinsame Aktionen. Die letzte war diesen Februar die Veranstaltung „Sieben auf einen Streich“ – eine Art Dinnerjumping, bei dem in jedem Gasthaus ein Gang serviert wurde. Sie soll im Januar nächsten Jahres wiederholt werden.

Neue Aktionen oder Umbauten stehen momentan nicht an. Mannel ist aber überzeugt, dass sich das schon bald ändern wird: „Stillstand wird es bei uns nie geben – wir denken auch weiterhin immer einen Schritt voraus.“

Info

Zum goldenen Engel
Friedhofweg 2
79286 Glottertal
Tel.: 07684/2 50
www.goldener-engel-glottertal.de

Öffnungszeiten:
Do. – Di. von 7 bis 23 Uhr
Küchenzeiten:
von 12 bis 14 und 18 bis 21 Uhr

Fotos: © Bernhard Würzburger, tas