Zankapfel Baupreise – Warum Experten zu aufwendigen Verträgen raten Bauen | 23.02.2023 | Lars Bargmann

Illustration Zwei Männer an einem Schreibtisch Harte Verhandlungen: Die Baupreisentwicklung erhöht auch den Diskussionsbedarf.

Der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine hat auch auf den Baustellen schmerzhafte Folgen. Und die haben auch in Südbaden schon zu Firmen­insolvenzen geführt. So ist bei einem Bauvorhaben auf dem Güterbahnhof in Freiburg unlängst der Rohbauer pleite gegangen. Ein Mandant der Staufener Baurechtsspezialistenkanzlei Steiger, Schill und Kollegen sieht sich aktuell aufgrund von Verzögerungen mit einer Vertrags­strafe im hohen sechsstelligen Bereich konfrontiert. Eine Vertragsstrafe setze aber Verschulden voraus, also Fahrlässigkeit oder Vorsatz.

„Bauunternehmen und Handwerker  sind durch Unsicherheiten bei der Materialbeschaffung, sei es durch Preisschwankungen oder mangelnde Verfügbarkeit, derzeit stark betroffen“, sagt Nicolas Schill. Gerade bei Verträgen, die vor dem Kriegsausbruch geschlossen wurden, verhageln höhere Preise für Material oder Leistungen von Subunternehmen die ursprüngliche Kalkulation. Aber welche Ansprüche stehen dem Unternehmer, der dafür nun einen Ausgleich sucht, zur Verfügung?

Grundsätzlich ist der vor Kriegsausbruch vereinbarte Preis ein Festpreis. Das Risiko, das zur Herstellung der Bauleistung benötigte Material oder auch Leistungen zu beschaffen, ist ein ureigenes Unternehmerrisiko. Helfen kann dem Unternehmer nur ein Anspruch wegen Störung der Geschäftsgrundlage. Die Regelung findet sich in § 313 des BGB. Und der „ist in Krisenzeiten von Pandemie und Krieg nicht nur am Bau in aller Munde“, berichtet Schill.

Einfach sei der Umgang mit dem hoch- abstrakten Gesetz, das für Verträge aller Art nicht weniger als einen Ausgleich zwischen Einzelfallgerechtigkeit und dem Grundsatz der Vertragstreue bezweckt, aber nicht. „Einigermaßen gesichert“ sei indes, dass der Krieg die sogenannte große Geschäftsgrundlage der meisten längerfristigen Bauverträge erschüttert.

„Darunter versteht man die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrages nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern und somit die soziale Existenz erschüttert wird.“

Darüber hinaus könne man bei den schweren wirtschaftlichen Folgen des Krieges zumeist davon ausgehen, dass der Vertrag in Kenntnis eines späteren Kriegsausbruchs von den Parteien nicht mit demselben Inhalt geschlossen worden wäre.

Für einen durchsetzbaren Anspruch müssten aber weitere Voraussetzungen vorliegen, deren Beurteilung „mit erheblichen Unsicherheiten“ belastet ist. Allem voran müsse ein Erfüllen des Vertrags für den Unternehmer unzumutbar sein, weil das ein für ihn untragbares Ergebnis zur Folge hätte. Dafür muss der Auftragnehmer zunächst seine Mehrkosten kausal zuordnen. In welcher Höhe sind ihm diese ausschließlich wegen des Kriegsausbruchs entstanden?

Sind diese Mehrkosten beziffert, gehe es um die Frage, in welchem prozentualen Verhältnis sie sich zum Auftragswert bewegen dürfen, ehe sie eine im Sinne des Gesetzes „unzumutbare Belastung“ sind. „Das Gesetz kennt solche prozentualen Grenzen oder Faustregeln bisher aber nicht.“

Neben der – rechtlich schwierigen –Preisanpassungsfrage hat der Krieg auch die Frage aufgeworfen, wie kriegsbedingte Verzögerungen zu werten sind. Da sei die Antwort aber klar. „Der Kriegsausbruch ist ein im Sinne von § 6 Abs. 2 c) VOB/B für den Unternehmer unabwendbarer Umstand. Ausführungsfristen werden nach Behinderungsanzeige oder Offenkundigkeit also verlängert. Der Unternehmer gerät nicht in Verzug“, erklärt Schill.

Wer heute Verträge abschließt, dem müssen nicht nur die Auswirkungen des Krieges bekannt sein, die Parteien müssten auch weitere Ungewissheiten, etwa eine weitere Eskalation des Krieges, berücksichtigen. „Sachgerechte und kompromissfähige Regelungen lassen sich in der Regel über Preisgleitklauseln treffen. Der Umgang mit solchen Klauseln will aber gelernt sein.“

Für die Gültigkeit müsse etwa vereinbart werden, unter welchen konkreten Voraussetzungen diese überhaupt Anwendung finden sollen. „Die zur Vertragsgestaltung investierte Zeit“, so Schill aus Erfahrung, „ist in Anbetracht der schwierigen Antizipation weiterer Preisschwankungen jedenfalls ihren Aufwand wert.“

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