»Die Industrie ist sehr outdated«: So war die Green Tech Startup Night 2024 Start-ups | 12.07.2024 | Philip Thomas
So sehen Sieger aus: die Gewinner des Make it Matter Awards 2024 in der Freiburger LokhalleKnapp 70 Gründer, 40 Unternehmensvertreter, 15 Investoren und 100 Unterstützer aus Basel, Straßburg, Berlin oder London fanden Ende Juni ihren Weg in den Freiburger Kreativpark. Auf der Green Tech Startup Night 2024 wurden allerlei Geschäftsideen gepitcht und Visitenkarten getauscht.
„Wir schieben das erst mal ins Backlog.“ „Ist der Purpose endlich fertig?“ „Habt ihr noch kurzfristig Kappa?“ Auf der Green Tech Startup Night 2024 vom Smart Green Accelerator mussten sich Interessierte nicht lange umhören, um Gründersprech-Bingo zu spielen. Und auch auf der Bühne des Kreativparks in der Freiburger Lokhalle wurde viel Denglisch gesprochen.
„Das ist eine Journey, an der man wächst und an seine Grenzen stößt“, blickt Johannes Mayer darauf zurück. Der Mitgründer von Wiferion hat seinen „Exit“, also den Verkauf seines Start-ups, bereits vor einem Jahr gefeiert: Für kolportierte 76 Millionen Euro verkaufte Mayer sein 2016 gegründetes und auf kabelloses Laden von Batterien spezialisiertes Unternehmen an Tesla.
„Genau überlegen, wen man sich ins Boot holt“
Mit Elon Musk habe er keinen Kontakt gehabt, berichtet Mayer dem Moderator Thomas Gutsche. Und drei Monate später stieß der US-Riese – scheinbar bloß an der Technologie interessiert – Wiferion an den deutschen Mittelständler Puls ab. „Es war klar, dass wir kein Familienunternehmen bauen. Gemeinschaftlich mit den Investoren haben wir entschieden, zu verkaufen, und bereuen es nicht“, blickt Mayer zurück.
Er habe auch Glück gehabt, viele Fettnäpfchen umschifft und die richtigen Leute zur richtigen Zeit getroffen. Seinen ersten Investor lernte er auf einem Weihnachtsmarkt kennen. „Am Anfang ist man noch froh über jeden. Später sollte man sich genau überlegen, wen man sich ins Boot holt“, so Mayer. Neues Kapital habe sein Start-up auch unter Druck gesetzt: „Der Erfolg ist nicht die nächste Finanzierung, sondern das Produkt auf den Markt zu bringen.“
Für die Baubranche sprach Robert Schleinhege von Rement aus Karlsruhe. Er schickt sich an, den für knapp acht Prozent der weltweiten Co₂-Emissionen verantwortlichen Sektor durch Upcycling nachhaltiger zu machen. Der Großteil des Betonschutts werde mit Wertverlust im Straßenbau eingesetzt. „Wir wollen das revolutionieren“, so Schleinhege. Demolierter Beton und Co₂ werden unter Druck in zwei verschiedenen Reaktoren gelagert. Herauskommen soll Calciumcarbonat und Sand.
Tatiana Tsarkova vom Start-up CU Mehrweg aus Mannheim hat Verpackungsmüll den Kampf angesagt und präsentiert eine Mehrwegverpackung für den Supermarkt. Denn nur 11,5 Prozent aller Einwegverpackungen aus Kunststoff werden zu neuem Drumherum. In einigen Freiburger Edeka-Märkten sind ihre Becher aus BPA-freiem Plastik bereits zu finden. Süßigkeiten-Hersteller Haribo ist auch an Bord.
Das aus dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme herausgegründete Freiburger Start-up Diveo arbeitet derweil daran, landwirtschaftliche Flächen für Solaranlagen nutzbar zu machen. Durch „Agri-PV“ profitieren auch Bauern und Pflanzen. „Wir können bis zu 50 Prozent Wasser sparen“, erklärt Mitgründer Kai Klapdor. Unter jedem der rund 150 Sitze im Zuschauersaal hat er seine Visitenkarte deponiert. „Bitte gebt die an Obstbauern weiter“, verabschiedet er sich.
Marc Hager verfolgt andere Pläne: Mit Naotilus will er Fernwärme smarter machen und schaut sich dafür Stromzähler genauer an. „Heute gibt es 200.000 Datenpunkte im Monat, früher gab es nur einen“, erklärt Hager. Um Optimierungspotenziale zu erkennen, vereinheitlicht sein Team diese Daten. „Excel reicht nicht mehr“, sagt er. Auch die Versorger profitierten durch Optimierung ihrer Netze.
Soumya Rajpal kam aus dem Labor auf die Bühne. Ihre Vision: Nachhaltige Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft mittels Pheromonen in vollständig biologisch abbaubaren und etwa faustgroßen Würfeln aus dem 3D-Drucker. Ein lohnender Markt: Laut Rajpal wurden im Jahr 2022 weltweit 88,2 Milliarden Dollar für chemischen Pflanzenschutz ausgegeben.
Und natürlich durfte auch Künstliche Intelligenz nicht fehlen. Johannes Laier von Wesort.ai denkt damit Mülltrennung neu. „Die Industrie ist sehr outdated“, sagt er. Nur neun Prozent des weltweit produzierten Plastiks wird recycelt. Hunderttausende Bilder von Müll hat er deshalb mit elf weiteren Mitarbeitern in einen Computer eingespeist. Die Erkennungsrate ihres Sortierers liege bei 95 Prozent.
Die ersten drei Plätze des von den Elektrizitätswerken Schönau mit insgesamt 40.000 Euro dotierten Make it Matter Awards 2024 ging an die Start-ups Eco:fibr, Icodos und Zukunft Moor.
Letztere schicken sich an, Torfabbau aus Hochmooren durch Torfmoos zu ersetzen und Moore wieder zu vernässen. Entwässerte Moore sind laut Lucas Gerrits für knapp 7,5 Prozent der deutschen Treibhausgase verantwortlich.
Icodos hat die Schifffahrt im Visier. Laut CEO David Strittmatter ist diese für zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das Problem: In der Schifffahrt gebe es zu kompakten Energieträgern wie Diesel keine Alternativen. Strittmatters Lösung: grünes e-Methanol. Das patentierte Verfahren habe den Labortest in Karlsruhe bereits bestanden. Nächster Schritt: industrielle Marktreife.
Platz 1 ging an das im April 2022 gegründete Eco:fibr aus Hannover. Michelle Spritzer und ihr dreiköpfiges Team wollen Zellstoff aus pflanzlichen Reststoffen machen. Schließlich werden jährlich 224 Millionen Bäume für Zellstoff gefällt. Ein Prototyp für die Zellstoffgewinnung aus Ananasabfällen aus Costa Rica ist mittlerweile validiert. Mit dem Preis in der Tasche ging Spritzer noch in der Lokhalle auf Investorensuche: „Wir sind gerade in einer Finanzierungsrunde, Deals platzen. Das hilft uns jetzt.“
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