Feste für den Frieden: Rundgang durch das Fort de Mutzig im Elsass Erkunden & erleben | 06.07.2024 | Reinhold Wagner
Hinter der schmalen Stahltür liegt der Zugang ins feucht-kalte Labyrinth der einst hochmodernen Festungsanlage.Südwestlich von Straßburg liegt eine größtenteils unterirdische, mehr als 130 Jahre alte Festungsanlage, die an das Werk von Maulwürfen erinnert. Seit 40 Jahren nun kümmert sich ein Verein darum, aus dem kriegerischen Bollwerk ein Museum der friedlichen Begegnung zu machen.
„Nehmen Sie sich besser noch Jacken mit, da drinnen hat es 14 Grad“, mahnt die Ticket-Verkäuferin die Familie, die sich für den Besuch der Feste einen sonnigen Tag ausgesucht hat. „Die Feste“, so nennen die Elsässer ihr Fort de Mutzig – oder auch im Ganzen: „Feste Kaiser Willhelm II“. Was hier am Ostrand der Vogesen, nahe weithin bekannter Besuchermagneten wie der Hochkönigsburg, Burg Kintzheim und Straßburg, nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf aus den Tiefen der Erde ans Tageslicht und damit an die Öffentlichkeit geholt wurde, galt zur Zeit des Ersten Weltkriegs als größte und modernste Festungsanlage der Deutschen im besetzten Frankreich.
Militärhistorisch gibt es hier unter- wie oberirdisch ein schier unerschöpfliches Arsenal an Superlativen zu entdecken: Von der Ausstattung mit vier eigenen Kraftwerken zur Stromgewinnung über die unterirdische Wasserversorgung, Schlaf- und Aufenthaltsbereiche, Lazarett, Großküche und Bäckerei für bis zu 7000 Soldaten bis hin zur ersten dezentral verteilten Batterie aus 22 Kanonen mit jeweils elf Kilometern Reichweite strotzt das Bauwerk nur so von militärischer Gigantomanie. Doch erst dem unermüdlichen Einsatz des 1984 gegründeten Vereins „Fort de Mutzig – Feste Kaiser Willhelm II“ ist es zu verdanken, dass ein Zehntel der insgesamt 25 Hektar Fläche umfassenden Anlage seit 2020 der Öffentlichkeit zugänglich ist und durch das einst feucht-kalte Labyrinth ein frischer Wind der grenzüberschreitenden Freundschaft weht.
„Ab Juli bis zum Herbst feiern wir 40 Jahre Ausbau der Feste“, kündigt der Vereinsvorsitzende Bernard Bour an, der auch Gästegruppen fachkundig durch die Anlage führt. Wenn jemand sich mit und in der Feste auskennt, dann er. Denn der 77-Jährige mit deutsch-französischen Wurzeln entdeckte schon als junger Pfadfinder die Anlage als Abenteuerspielplatz, bevor er ein Buch darüber schrieb und mit der Restaurierung und Öffentlichkeitsarbeit betraut wurde. „Eine Besichtigung der ganzen Anlage würde drei Tage brauchen. Wir haben uns daher auf das Wesentliche konzentriert und alles zusammengesammelt, was das Leben der Reservisten unter der Erde begreiflich macht“, so der Insider. Jahr für Jahr kommen neue Erweiterungen hinzu. So wurden in diesem Jahr die Räumlichkeiten und technische Ausstattung der Logistik und Werkzeugherstellung sowie der Strom- und Wasserversorgung restauriert. „Eine der Maschinen wollen wir für Vorführzwecke zum Laufen bringen, damit die Besucher auch mal sehen können, wie sie funktionieren“, erzählt Bour stolz.
Wieder draußen an der frischen Luft trifft Bour einen Miteiferer an, der sorgsam die Wege zwischen den Wiesen und Hängen freimäht, ohne die dort blühenden Orchideen zu gefährden. Denn diese bilden mittlerweile einen weiteren, ganz eigenen Schatz, den das Gelände birgt: „Anfangs wuchsen hier vereinzelt ein paar Orchideen. Dieses Jahr gibt es einen ganzen Hang voll Pyramiden-Orchis und noch 15 andere Orchideenarten“, schwärmt Bour. Die Natur hat offenbar das Fort für sich zurückerobert. Und der lokale Gemeindeverbund um die Orte Dinsheim-sur-Bruche, Molsheim und Mutzig hat in diesem Frühjahr den restaurierten Teil der Festung übernommen, sodass auch dessen Zukunft als Denkmal und Begegnungsstätte für den Frieden langfristig gesichert ist. Sie will auf dem Gelände beim Parkplatz in den kommenden Jahren ein dreistöckiges Empfangs- und Informationsgebäude errichten. Ein Besuch der Gegend lohnt sich also immer wieder.
Info
Fort de Mutzig
Rue du Camp
F-67190 Dinsheim-sur-Bruche
www.fort-mutzig.eu
Die Feste hat täglich geöffnet und lässt sich selbstständig anhand einer Broschüre und eines ausgeklügelten Leitsystems begehen. Gruppen können zudem eine Führung buchen – alles auch in deutscher Sprache.
Fotos: © Reinhold Wagner