Kleinod mit Stil: Staufen im Porträt Erkunden & erleben | 04.05.2023 | Dorothea Wenninger

Die Burgruine der Herren von Staufen auf dem Schlossberg Die Burgruine der Herren von Staufen thront auf dem Schlossberg.

Das reizvolle Breisgau-Städtchen Staufen am Rand des Südschwarzwalds ist wahrhaftig keine Unbekannte. Historisches Flair, Doktor Faust und mehr verbindet jeder mit Staufen. Und doch kann spannende Neuentdeckungen machen, wer sich etwas abseits auf Spurensuche begibt.

Wer Staufen mit dem Zug besucht, sieht als Erstes die Mayer-Mühle mit dem großen Mühlrad, in die vor Kurzem mit „Onkel Karls“ wieder Gastronomie eingezogen ist. Das historische Hofgut ist nicht viel jünger als die Burg der Herren von Staufen auf dem Schlossberg, der recht impossant hinter der Mühle aufragt. Um 1100 wurde die Burg errichtet, 1359 die Mühle in einer Urkunde genannt. Im 19. Jahrhundert, als Staufen eine kleine Industriestadt war, verlief der Gewerbekanal auch in diesem Viertel noch oberirdisch und lieferte erneuerbare Energie. Ein weiteres Mühlrad trieb er ein kleines Stückchen weiter nördlich in der Fark’schen Werkstatt an. Die 1892 gegründete Maschinenbau- und Schlosserwerkstatt von Emil Fark ist fast vollständig erhalten und heute ein interessantes Industriedenkmal, das nach Terminvereinbarung besichtigt werden kann. Gegenüber in der Clavierwerkstatt von Christoph Kern werden historische Tasteninstrumente repariert und nach alter Tradition gebaut. Die auf Cembali und Hammerflügel spezialisierte Firma lockt auch internationale Kundschaft wie das Mozarteum Salzburg in das kleine Städtchen.

Staufens Künstlermeile

Um die Straßenecke herum geht es in die viel befahrene Krozinger Straße. Direkt am Fuß des Schlossbergs steht ein unscheinbares Gebäude, dessen Bürgersteig reich bestückt ist mit den wunderlichsten Gestalten: ein schlanker Vogel Strauß, ein wuchtiger Bär, ein Fantasievogel mit Blumentopfhalter. Hier ist die Eisenwerkstatt von Nobi Bühler zu Hause. Aus Altmetall wird Kreatives, einfallsreich und originell.

Eine Vogelskulptur aus Metall vor einer blauen Wand

Der Fantasievogel vor Nobi Bühlers Eisenwerkstatt ist ein gutes Beispiel für dessen Kreativität.

Von hier ist es nicht weit bis zu Staufens „Künstlerinnenmeile“ im Sträßchen Auf dem Graben. Auch da ist Kreativität zu Hause: Michaela Karle gestaltet Bronzen und Holzskulpturen, und ein paar Türen weiter stellt die Vergoldermeisterin Sandra von Wedel Bilderrahmen aus. Sie hat die Stadtwappen vergoldet, die prominent an der Staufener Rathausfassade glänzen. Julia Franke von Hallejulia Stempel-Kunst stellt Kunstkarten aus und vermittelt in Kursen, wie die Teilnehmerinnen Stempel selbst schnitzen können, um damit Stoffe zu bedrucken.

Von dem Sträßchen geht rechts eine Passage ab, in der ein Kunstwerk von Nobi Bühler steht: das Nägel-Paar. Ein blecherner Frosch hat es sich auf einem wettergeschützten Regal für den Büchertausch gemütlich gemacht. Die Passage ist nach Gustav Struve benannt, einem der beiden führenden Köpfe der Badischen Revolution. Im September 1848 endete der sogenannte Struve-Putsch, bei dem Struve und Anhänger in Lörrach eine Deutsche Republik ausgerufen hatten, in Staufen. Hier schlugen die Großherzoglichen Soldaten die Aufständischen nieder. Das Eckhaus auf der rechten Seite beim Verlassen der Passage (Im Grün 15) beherbergt noch eine Hinterlassenschaft dieser Geschehnisse: Über dem Fensterladen ist ein kleiner dunkler und erhabener Kreis auf der Wand sichtbar, versehen mit der Jahreszahl 1848 – eine Kanonenkugel, die in der Hauswand stecken geblieben ist.

Der kleine Weg gegenüber führt zum Flüsschen Neumagen. Von dem schmalen Fußgängersteg aus kann man einen Blick auf die grüne Brücke erhaschen – eine der letzten erhaltenen gusseisernen Straßenbrücken Deutschlands. Die ehemalige Eisenbahnbrücke wurde schon 1871 aus der Kenzinger Gegend hierher umgesetzt und wird von Einheimischen auch Deckerbrücke genannt, weil die weit über Staufen hinaus bekannte Konditorei in der warmen Jahreszeit ihre Tische daraufstellt.

Die gusseiserne Straßenbrücke in Staufen

Eine Rarität aus dem 19. Jahrhundert ist die gusseiserne Straßenbrücke direkt beim Café Decker.

Gipskeuper & Alchemist

Am Rathaus sind neben den Stadtwappen auch deutliche Risse in der Fassade erkennbar. Die Geschichte ist bekannt: Über eine undichte Erdwärmesonde konnte vor 15 Jahren Grundwasser aus dem Muschelkalk in die darüberliegende, bis dahin trockene Gipskeuperschicht aufsteigen. Der daraufhin aufquellende Gips hob den Grund an, kleinflächig und fortdauernd. Inzwischen ist dieses Thema in den Hintergrund getreten, weil die Hebung der Erde auf ein Minimum reduziert werden konnte. Dennoch ist die Sache nicht ausgestanden. Erst wenn die Bewegung ganz zum Stillstand gekommen ist, lohnt es sich, mit der Renovierung der Häuser zu beginnen.

Auf dem Haus in rotem Ocker an der Ecke des Rathausplatzes begegnet man auch der Berühmtheit Staufens, die Goethe zu seiner bedeutenden Tragödie inspiriert hat: Doktor Faust. Das Fassadengemälde vermittelt zwar den Eindruck, dass es sich nur um eine Sage handele. Der historisch verbürgte Alchemist Johann Georg Faust logierte aber tatsächlich eine Zeit lang im Löwen und ist wohl bei einem chemischen Experiment in seinem Zimmer ums Leben gekommen.

Die Hauptstraße ist eine Einkaufsmeile par excellence. In Staufen haben sich im Verhältnis zur Größe des Städtchens mit gerade einmal achteinhalb Tausend Einwohnern außergewöhnlich viele inhabergeführte Geschäfte niedergelassen. Gegenüber vom Gasthaus zum Löwen verkauft Claudia Herbig in vierter Generation Haushaltswaren aller Art. Hier gibt es einfach alles, was ein Haushalt benötigt. Selbst wer eine zusammenfaltbare Abdeckhaube als Fliegenschutz sucht, wird fündig.

Eine Werkstatt mit verschiedenen Klavierarten

Sogar international bekannt ist die Clavierwerkstatt für Cembali und Hammerflügel von Christoph Kern.

Der historische Kern

Südlich vom Rathausplatz gelangt man ins Hinterstädtle, den ältesten Teil Staufens. Der Stadtteil ist weitgehend erhalten und steht als dörfliches Ensemble unter Denkmalschutz – wie die ganze Altstadt von Staufen. In der Spitalstraße 7 verrät eine Tafel, wann Staufen zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde: im Jahr 770.

Unweit davon steht die Kirche Sankt Martin, ein Mischbau aus verschiedenen Epochen, wobei die romanische nicht mehr zu sehen ist. Im neugotischen Inneren, in einer kleinen Seitenkapelle, ist vor allem die Renaissance-Figurengruppe „Anna Selbdritt“ des Bildhauers Hans Sixt von Staufen sehenswert. Die Großmutter von Jesus, die heilige Anna, ist Stadtpatronin von Staufen.

Gegenüber der Kirche befindet sich die inzwischen legendäre Kaffeerösterei Coffee and More mit kleinem Café und Außenplätzen auf dem Kirchplatz. Dort können auch die Pralinen der Chocolaterie Sixt genossen werden, die hinter der Kirche ihren Laden hat. Der Kirchplatz ist nur einer der schönen Plätze, die zum Verweilen verlocken, um den Stadtbesuch ausklingen zu lassen.

Info

Kontakt für Besichtigungstermin der Fark´schen Werkstatt:
auf Anfrage beim Arbeitskreis Staufener Stadtbild, Manfred Kiefer
Tel.: 0 76 33 / 8 20 94 72

Oldtimersonntag 
Am 7. Mai findet das nächste Oldtimertreffen in Staufen statt. Um 11 Uhr ziehen die bis zu 100 Jahre alten Fahrzeuge im Konvoi in die sonst autofreie Altstadt, wo sie auf dem Marktplatz vorgestellt werden. Die funkelnden Automobile fahren danach auf Standplätze im Städtle, die Traktoren auf den Schladererplatz. Bis 16 Uhr können sie betrachtet werden. An diesem Sonntag laden auch die Geschäfte von 13 bis 18 Uhr zum Einkaufsbummel ein.

Straßenfest Wein & Musik
Am ersten Juni-Wochenende tischen Staufener Gastronominnen und Winzer von Freitag bis Sonntag edle Weine und ausgesuchte Leckerbissen auf. Ab Freitagabend gibt es Live-Musik aller Richtungen: am Marktplatz, am Kronenplatz und am Weinbrunnen.
www.staufen.de/wirtschaft/gewerbe/gewerbeverein

Fotos: © Thomas Coch, dw