Blickfänger Rinde – die Haut von Bäumen und Sträuchern Haus & Garten | 13.11.2023 | Frank von Berger

Papier-Birke im Herbst Liliental

Der Winter gilt nicht gerade als die beste Jahreszeit, um aufregende Entdeckungen in Gärten, Parks und Wäldern zu machen. Doch gerade dann lohnt es sich, Sträucher und Bäume einmal eingehender zu betrachten und dabei echte Hingucker zu entdecken.

Die Staudenbeete schlummern verwaist im matten Licht des Spätherbstes, das letzte Laub der Bäume ist zu Boden gefallen. Jetzt schimmert im fahlen Licht der niedrig stehenden Wintersonne die Rinde mancher Baumschönheiten besonders apart. Samtig glänzend oder schrundig, sich in Streifen abschälend oder schuppig abblätternd, wie etwa bei Platanen: Wer aufmerksam hinschaut, wird bald entdecken, dass jede Baum- und Strauchart mit einer ganz individuellen Rinde gesegnet ist. Auch ohne esoterische Anwandlungen verführt es dazu, die Rinde der Bäume zu berühren. Da gibt es glatte oder raue Oberflächen in grauen, olivbraunen oder silbrigen Farbtönen wie bei vielen Eichen- und Buchenarten, oder schuppige, orange-rötliche Strukturen wie bei der einheimischen Waldkiefer (Pinus sylvestris). Mitunter lockt auch eine torfige, rötlichbraune, auf Fingerdruck weich nachgebende Borke wie bei den nordamerikanischen Mammutbäumen (Sequoia) zum Berühren. Die Rinde dieser Baumriesen fühlt sich selbst bei eisiger Winterkälte kuschelig warm und wohlig an.

Mandschurische-Birke

Die Papier-Birken im Arboretum Liliental (Titel Bild) bezaubern ebenso
wie die Mandschurische Birke (hier) mit ihrer querrilligen Rinden­struktur.

Allseits vertraut ist die kon­trastreiche weiße, von schwarzbraunen borkigen Schrunden aufgerissene Haut der europäischen Hänge- oder Sandbirke (Betula pendula). Nicht minder attraktiv sind die Rindenstrukturen ihrer exotischen Verwandten: Die aus Nordamerika stammende Papierbirke (Betula papyrifera) hat eine glatte, rahmweiße Rinde, die von zarten Querrillen gezeichnet ist. Ähnlich apart ist die Rinde der asiatischen Mandschurischen Birke (Betula platyphylla). Sie schält sich bei älteren Bäumen in papierdünnen, horizontalen Bahnen in dünnen Streifen ab. Auch der aus dem westlichen China stammende Zimt-Ahorn (Acer griseum) neigt dazu, sich seines Borkenkleides im Alter streifenweise zu entledigen. Die karamellfarbene, glänzende Stammoberfläche wirkt mit den fein gerollten Rindenstreifen beinahe wie ein erlesenes Confiserieprodukt.

Mammutbaum-im-Liliental

Die Rinde des amerikanischen Mammutbaums gibt bei Fingerdruck nach und fühlt sich auch bei Minusgraden warm an.

Borke schützt den Baumstamm

Aber was ist Rinde eigentlich? Was auf den ersten Blick so wirkt, als würde der Baum mit zunehmendem Alter stückchenweise absterben, ist tatsächlich ein natürlicher Wachstumsprozess. Die Rinde ist die schützende Haut der Bäume, die wie ein Gewebemantel den Stamm umschließt. Sie bildet während des Wachstums, bei dem die Pflanze ja nicht nur in die Höhe strebt, sondern auch in die Breite geht, aus abgestorbenem Gewebe die Borkenschicht. Diese wird nach außen abgestoßen. Genau genommen müsste in vielen Fällen deshalb von Borke und nicht von Rinde gesprochen werden, wenn die charakteristische Oberflächenstruktur der Baumstämme beschrieben werden sollte. Die Borke schützt den Baumstamm vor Witterungseinflüssen, Pilzbefall und tierischen Schädlingen. Sie kann aber nicht mitwachsen wie die dünne Rindenschicht darunter. Sie platzt deshalb mit zunehmendem Alter des Baumes auf. Die ausdrucksstärksten Oberflächenstrukturen können daher meistens an Stämmen von alten, ehrwürdigen Baumriesen beobachtet werden. In einem Arboretum (so wird die Sammlung erlesener Gehölze auch genannt) kann oft ein breites Spektrum schöner, alter Baumarten mit spektakulären Rindenzeichnungen entdeckt werden. So etwa im Landesarboretum in Stuttgart-Hohenheim oder im Liliental bei Ihringen im Herzen des Kaiserstuhls. Auch im Arboretum Günterstal am Fuß des Schauinslands auf Freiburger Gemarkung werden alle, die Bäume lieben, zahlreiche botanische Schätze mit schöner Rinde finden.

Zimt-Ahorn

Sie erinnern, ganz nah betrachtet, an Schokospäne: die zart gerollten Rindenstreifen des Zimt-Ahorns.

Farbfeuerwerk aus jungen Trieben

Selbst im eigenen Garten, sei er auch noch so klein, muss nicht auf Gehölze mit schöner Rindenzeichnung verzichtet werden. Zahlreiche Straucharten und klein bleibende Bäume können sowohl im Vorgarten als auch neben der Terrasse zu haptischen, also den Berührungssinn inspirierenden Erfahrungen animieren. Besonders schön sieht die Tibetische oder Mahagoni-Kirsche (Prunus serrula) mit glatter, kupferbrauner Borke aus. Auch der bereits erwähnte Zimt-Ahorn eignet sich gut für den Hausgarten, weil er langsam wächst und nicht zu groß wird. Etwas mehr Raum beansprucht der vier bis sieben Meter hohe Rotnervige Ahorn (Acer rufinerve), dessen olivgrüne Borke rosaweiße Längsstreifen zieren. Unter den Sträuchern sind es vor allem die verschiedenen Hartriegelarten (Cornus spec.), die im Winter mit ihren bunt berindeten Zweigen ein wahres Farbfeuerwerk im Garten entfachen. Junge Triebe dieser Gattung färben sich übrigens am intensivsten. Ein beherzter Rückschnitt alle paar Jahre sorgt dafür, dass immer neue, farbenfrohe Triebe nachwachsen. Ganz ähnlich verhält es sich bei den Korbweiden, die alljährlich „auf den Stock gesetzt“, also bis ins alte Holz zurückgeschnitten werden. Der Neuaustrieb ist dann goldgelb, glatt und geschmeidig. Die schlanken, jungen Triebe werden traditionell als Flechtmaterial für Körbe verwendet.

Korb-Weide

Goldgelber Neuaustrieb: Farbakzente setzen die farbenfrohen Triebe
der Korbweiden.

Die Rinde der Bäume ist also wirklich alles andere als langweilig. Deshalb kann es sehr spannend sein, bei einem Spaziergang durch Gärten, Parks und Wälder einmal einen neugierigen Blick auf Baumrinden zu werfen oder mit geschlossenen Augen ihre vielfältige Beschaffenheit zu ertasten. Ein Naturerlebnis, das ganz sicher auch ohne Bütenpracht, Duft oder süße Früchte neue Sinneseindrücke beschert!

Fotos: © Frank von Berger