Auf Adrenalin folgt Endorphin: Schwerelos im Tuch abhängen beim Aerial Yoga in Freiburg STADTGEPLAUDER | 22.03.2018 | Isabel Barquero

Yoga in der Luft – geht das? Im Freiburger Quartier Vauban ist fast alles möglich. Jeden Donnerstag schwingen sich dort sowohl Männer als auch Frauen in ein hängendes Trapeztuch und praktizieren Aerial Yoga (Luft-Yoga). Für das chilli hat sich Volontärin Isabel Barquero in den Stoff wickeln lassen und wäre fast als Taube davongeflogen.

Dicke Haken baumeln von der Decke, Lampen und Gemälde verzieren den kleinen Raum. Buddhas gibt es nicht. Dafür aber viele bunte Tücher. Zunächst bin ich skeptisch und teste die Stabilität. „Das Tuch besteht aus Nylon und kann bis zu zehn Tonnen tragen“, versichert mir Miriam Kaiser, die Aerial-Yoga-Lehrerin.

Der Einstieg in das Tuch ist eine Kunst für sich – elegant geht anders. Sofort wird klar: Der Stoff ist reißfest wie in einer Hängematte. Die Stunde beginnt mit dem „Embryo“. In der Hocke eingewickelt, machen wir Atemübungen. Ich fühle mich wie ein Baby im Mutterleib, es ist stickig und eng.

Anders als beim gewöhnlichen Yoga werden beim Aerial Yoga die jeweiligen Körperpartien in das Tuch hineingelegt. Durch den Stoff sind auch viele Kopfüberpositionen möglich, für die sonst viel Kraftaufwand nötig ist. „Für einen Handstand muss man im Yoga lange trainieren, hier ist das bereits in der ersten Stunde möglich“, berichtet Kaiser. Die Umkehrstellung entlastet nicht nur die Wirbelsäule mit den Bandscheiben, sondern dehnt auch den Rücken. Ihrer Meinung nach sieht Luft-Yoga spektakulärer aus als das herkömmliche Yoga, es sei aber einfacher.

Das merke ich beim Schulterstand: Mein Körper liegt im Tuch, lediglich mein Kopf schaut heraus. Ich halte mich fest, lege die Fußaußenkanten an den Stoff und drücke mich problemlos nach oben. „Kopfüber zu hängen erfordert Mut und Vertrauen. Erst dann kann das Loslassen auch zur Freude werden“, sagt die 40-Jährige.

Der Fitness-Trend aus den USA verbessert nicht nur die Dehnbarkeit, auch die Fitness kommt nicht zu kurz. Für die Kräftigungsübungen brauche ich Spannung. Das Tuch fordert Stabilisieren und Ausgleichen. „Der ganze Körper wird achtsam trainiert, besonders die tieferen Muskelschichten“, erklärt Kaiser, die Aerial Yoga vor etwa acht Jahren in einer Zeitschrift entdeckte.

Anstelle des herabblickenden Hundes ist jetzt die Taube gefragt. Kopfüber wickele ich ein Bein um das Tuch, das andere strecke ich nach hinten und drücke es mit den Armen an mein Gesäß. Durch das Schwingen fühle ich mich völlig losgelöst – wie eine Taube.

Als ich wieder auf den Beinen stehe, weiß ich, was Kaiser mit den Glücksgefühlen gemeint hat. Und auch mit dem Mut: Die Engelsrolle kostet mich viel Überwindung. Ich wickele meine Schultern ein und neige mich nach vorne. „Hochspringen und eine Rückwärtsrolle machen.“ Ich überlege, möchte mich abdrücken, doch irgendetwas hindert mich daran. Kaiser spricht mir Mut zu. Ich denke nicht weiter nach, springe und drehe mich. Ein fantastisches Gefühl, auf Adrenalin folgt eben Endorphin.

Kaiser bietet neben dem Morgenkurs zwei weitere Abendkurse und einen für Kinder an. Seit vier Jahren praktiziert sie in Freiburg. Die Resonanz steigt: „Ich habe das Gefühl, dass es so langsam ankommt. Die Wintermonate laufen gut.“

Die letzte Übung steht an: Mein ganzer Körper ist umhüllt. Ich fühle mich wie in einem Kokon. Zur Klangmusik atme ich ein und aus. Die Glieder lockern sich, ich schließe die Augen und falle in eine Traumwelt. Schwerelos und frei. Aerial Yoga ist wie Fliegen, nur ohne Abheben.

Foto: © Jan Kaiser

Infos: www.aerialyoga-freiburg.de