Backstage an der Uni: Ein Tag mit der Rektorin der Albert-Ludwigs-Universität Kerstin Krieglstein STADTGEPLAUDER | 17.10.2022 | Johanna Storz

Uni-Rektorin Kerstin Krieglstein im Gespräch mit Johanna Stortz Zeit genommen, wo kaum welche ist: Kerstin Krieglstein im Gespräch mit Johanna Stortz

Wie läuft ein einigermaßen normaler Tag im Leben der Freiburger Uni-Rektorin Kerstin Krieglstein ab? Während viele andere solche Anfragen von Journalisten gerne abwiegeln, sagte Krieglstein zu. Es ist 8.30 Uhr an diesem Donnerstag. Die Rektorin grüßt freundlich.

Hier ist das Chefbüro: im Rektorat der Uni Freiburg

Kaum Zeit für Pausen

„Viele Termine, ohne Übergänge, mit sehr unterschiedlichen Themen und unterschiedlichen Bedürfnissen der Vorbereitung.“ So beschreibt sie ihren typischen Tagesablauf. Auch heute geht es Schlag auf Schlag. Auftakt ist eine Besprechung mit den zwei Sekretärinnen und ihrer Assistentin. Dann geht es zu den ersten Online-Meetings. Neben einer Besprechung mit der Zentralstelle für Technologietransfer (ZfT) steht ein dreistündiges Online-Meeting auf dem Plan. Bis zum Ende bleiben kann Krieglstein nicht. Sie muss weiter zur Verleihung einer Ehrenpromotion. Dort kommt sie verspätet an. Für den anschließenden Sektempfang fehlt die Zeit. Die nimmt sie sich aber für die Fragen der Reporterin – auch wenn die Sekretärin auf den nächsten Termin verweist.

Eine wirkliche Mittagspause bleibt der Rektorin selten. Nur so viel: „Es gibt manchmal Pausen, die mit besonderen auswärtigen Personen verbracht werden, wo ein kleiner Imbiss zum Gesprächsformat dazugehört.“ Auch die Semesterferien sind intensiv: „Die einzige Phase, in der die Arbeit ein wenig nachlässt, ist der August, wenn alle im Urlaub sind.“

In Konstanz „alles erreicht“

Ihren Urlaub müsse sie bereits ein Jahr im Voraus planen, um sich dann wirklich freinehmen zu können. Viermal im Jahr mache sie eine Woche Pause, um nie allzu lange zu fehlen. Trotz voller Arbeitstage macht ihr der Beruf große Freude, betont Krieglstein. Vor allem, wenn sie an der Universität etwas verbessern könne – wozu auch die Belange der Studierenden gehören.

Von 2018 bis 2020 war Krieglstein Rektorin der Universität Konstanz. Dort gelang ihr mit der Verlängerung des Erfolgs im Exzellenzwettbewerb ein Coup. Auch das dürfte beim Wechsel nach Freiburg geholfen haben. Seit Oktober 2020 ist sie hier – als erste Frau an der Spitze der 1457 gegründeten Universität. Der Grund für den Neustart? „Ich hatte das Gefühl, in Konstanz bereits alles erreicht zu haben .“ Ihr ganzes Leben lang habe sie zu Chancen immer „Ja“ gesagt. So auch zum Posten im Breisgau.

Kerstin Krieglstein bei einer Ehrung

Gefragt: Die Rektorin bei einer Ehrung

„Viel mit Männern zu tun“

Schon 2007 war sie als Professorin für Anatomie hier tätig. Von 2014 bis 2018 arbeitete sie als Dekanin der Medizinischen Fakultät. Nun wünscht sich Krieglstein, auch Freiburg wieder zur Exzellenzuniversität zu verhelfen. Dabei sei es wichtig, die Menschen an der Universität zu begeistern. „Das, was die Menschen hier leisten, sollen sie nicht nur für die Universität, sondern insbesondere für sich und ihre Umgebung tun“, unterstreicht sie.

„Als Rektorin hat man viel mit Männern zu tun“, erzählt die gebürtige Erlangenerin. In Verhandlungssituationen habe sie den Eindruck, dass es grundsätzlich zwei Varianten gibt: „Die eine ist, dass Männer einen unterschätzen und einem mit einer gewissen Sicherheit oder Überheblichkeit begegnen.“ Aber es gebe auch das Gegenteil: „Da sind sie sehr verunsichert und wissen nicht, wie sie mit einem umgehen sollen.“ Am meisten wünscht sie sich konstruktive Kritik und Dialog, denn einstecken müsse man viel in ihrer Funktion. In dem Job sei man manchmal eben auch ein Fußabtreter.

Berufswunsch „Feuerwehrmann“

Wie ist es als erste Rektorin an der Universität Freiburg überhaupt? Genau beurteilen könne sie das nicht. „Das Problem ist, dass ich den Unterschied nicht kenne“, sagt Krieglstein. Der Berufswunsch ihrer Kindheit könnte heute jedenfalls von Vorteil sein: „Feuerwehrmann“ wollte sie werden. „Nicht gegendert. Das gab es damals nicht.“

Die Zeiten haben sich geändert. Heute würde sie sich in drei Worten als „neugierig, loyal und zukunftsorientiert“ beschreiben. „Und familienfreundlich, wenn Sie noch ein viertes wollen“, schiebt Krieglstein hinterher. Was sie den Studierenden mit auf den Weg geben möchte? „Sie sollen das machen, wofür sie sich interessieren.“ Jeder müsse herausfinden, was zu ihr oder zu ihm passt. Dann komme das Engagement von allein. Krieglstein ist überzeugt: „Wenn man für etwas brennt, dann ist es Teil des Lebens, auch die Arbeit. Dann braucht man über Work-Life-Balance nicht nachzudenken.“

„Die Arbeit begleitet mich“

An Feuer fehlt es ihr nicht. Zwischen 19 und 21 Uhr verlässt sie in der Regel das Rektoratsgebäude für den Feierabend. „Ich mache dann zumeist nichts mehr, aber die Arbeit begleitet mich“, erzählt die 58-Jährige. „Die Strafe dafür ist, dass ich am nächsten Morgen, bevor ich hierherkomme, die restliche Arbeit erledigen muss.“ Krieglstein zeigt auf einen Stapel mit Papieren, die sie als Vorbereitung für diverse Meetings noch lesen muss. Oft bliebe nur das Wochenende für intensive Vorbereitungen. Wenn ihr dann noch die Zeit bleibt, geht sie am liebsten wandern.

Fotos: © privat & Johanna Stortz

Uni-Besetzung beendet: Rektorin Krieglstein äußert Unverständnis zu Klima-Blockade