Bitte reinlassen: Freiburg verbietet Räder in der Tram – das ist unnötig STADTGEPLAUDER | 27.10.2021 | Till Neumann & Philip Thomas

Till Neumann mit seinem Fahrrad verwirrt vor der Straßenbahn Nicht erlaubt: chilli-Redakteur Till Neumann darf mit dem Rad nicht in die Straßenbahn – auch wenn Platz ist. Andere Städte sind da offener.

Genau 80 Großstädte hat Deutschland. In fast allen können Räder unter gewissen Bedingungen in Straßenbahnen oder Bussen mitgenommen werden. Nur Freiburg und München verbieten das kategorisch. Die Freiburger Verkehrs AG (VAG) verweist auf Platzkonflikte, Schmutz und Verletzungsgefahr. Andere Städte zeigen jedoch: Spannungen gibt es nicht. Ein Testlauf ist daher überfällig.

Nur solange Platz ist

Es regnet, die Nacht ist kalt, Pauline muss von Zähringen mit dem Rad nach Littenweiler. Plötzlich macht es pfffft, der Reifen ist platt. Die Straßenbahnhaltestelle ist vor der Nase, der menschenleere Urbos 100 kommt angerollt. Pauline will einsteigen, wird aber zurückgepfiffen. „Räder sind nicht erlaubt “, ruft der Fahrer durch die Lautsprecher. Eine zwar fiktive, aber auch realistische Szene. 

Zugegeben: Solche Fälle sind selten, aber der Redaktion bekannt. Sie sorgen für Unverständnis. Wen stört’s, wenn ein Rad ausnahmsweise mal in der Tram mitfährt? Natürlich nur solange Platz ist. Rollstühle, Kinderwagen und Fahrgäste haben in jedem Fall Vorfahrt.

Note Fünf fürs Verbot

Kritik dafür gibt’s auch vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ADFC: Beim Fahrradklima-Test 2020 landete Freiburg auf Rang drei hinter Karlsruhe und Münster. Für das Verbot gab’s die Note 5. Frank Borsch vom ADFC Freiburg versteht die Ablehnung nicht: „Klar ist, dass Rollstühlen und Kinderwagen der Vorrang in der Straßenbahn gehört. Klar ist aber auch: Praktisch überall sonst in Deutschland funktioniert das Miteinander mit dem Rad im ÖPNV.“

Der Radexperte plädiert für einen sechs- bis zwölfmonatigen Test. Die VAG verweist auf einen Versuch in den 90ern, der Konflikte gezeigt hätte, und lehnt ab. „Wer soll entscheiden, ob genug Platz ist?“, fragt VAG-Sprecher Andreas Hildebrandt. Er warnt auch vor Verletzungen: „Da das Fahrrad im Fahrzeug nicht fixiert werden kann, stellt es für andere Fahrgäste ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar.“ Man könne sich zudem an einer öligen Kette verschmutzen.

„Wir haben hier keine Konflike“

Die jahrelange Praxis in deutschen Großstädten widerlegt Hildebrandts Einwände. Die chilli-Redaktion hat sich die Regelungen in allen 80 Großstädten angeschaut, das Ergebnis: In 78 ist die Radmitnahme im ÖPNV in gewissen Fällen möglich. Nur die Schickimicki-Stadt München und das fahrradverrückte Freiburg tanzen aus der Reihe. Das chilli hat exemplarisch drei Verkehrsverbünde um eine Einschätzung gebeten: Aus Berlin, Münster und Karlsruhe heißt es unisono: Das klappt seit Jahren gut. 

„Wir haben hier keine Konflikte“, betont Petra Nelken. Die Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe BVG sagt: „Da wird Platz gemacht oder zusammengerückt.“ Seit mindestens zehn Jahren sei das in Berlin so. „Und wenn der Fahrer mal 30 Sekunden warten muss, fällt ihm auch kein Zacken aus der Krone.“ Die Berliner prügelten sich gerne mal – aber nicht deswegen.

Zwei mal Bedarf in 15 Jahren

Auffällig ist: Die Verkehrsbetriebe betonen, dass Radelnde das Angebot selten nutzen. Das überrascht nicht. Wer Fahrrad fahren will, braucht normalerweise keine Tram. In meinen rund 15 Jahren in Freiburg radle ich täglich. In dem Zeitraum hätte ich höchstens zweimal bei Radpannen einsteigen wollen. So dürfte es auch vielen anderen gehen. 

Ob das stimmt? Ein Test kann das zeigen. Pauline wäre geholfen – und Freiburg wäre einen Ticken fahrradfreundlicher. Die neuen Urbos-Trams sind mit ihrer Breite und Zugänglichkeit prädestiniert dafür.

Foto: © pt

Tops und Flops: wie fahrradfreundlich ist Freiburg?