„Denkt, was ihr wollt“: Fußball-Nationalspielerin Carolin Simon lassen doofe Sprüche kalt STADTGEPLAUDER | 08.01.2018 | Lena Rebholz

Nur wenige deutsche Fußballerinnen sind so erfolgreich wie Carolin Simon. Die 25-Jährige ist Nationalspielerin und spielt gerade ihre zweite Saison für den SC Freiburg. Mit dem Sportclub stand sie im November sogar an der Tabellenspitze. Im Interview mit f79-Autorin Lena Rebholz erzählt „Caro“ von blöden Sprüchen, ersten Gehversuchen im Herrenfußball und Chancen auf die Meisterschaft.

chilli: Caro, wie kamst du zum Fußball?

Caro: Durch meinen Bruder. Ich war so sieben Jahre alt, habe auf der Straße mitgekickt und Leichtathletik gemacht. Die Mannschaft meines Bruders hatte bei einem Freundschaftsspiel einen Spieler zu wenig. Sie sagten: „Lassen wir sie einfach mitspielen.“ So hat sich das entwickelt.

chilli: Und du kamst fest in die Mannschaft?

Caro: Ja, danach habe ich bei Freundschaftsspielen mitgespielt und gemerkt: So schlecht bin ich gar nicht. Ich hatte echt Spaß daran. Dann habe ich meinen Spielerpass bekommen und so lang wie möglich bei den Jungs mitgespielt. Mit 16 musste ich zu den Damen wechseln. Ich kam 2008 zum TSV Jahn Calden in der Nähe von Kassel (Caros Geburtsort). Die Mannschaft war in der höchsten Spielklasse im Raum Nordhessen, der Regionalliga. Ein Jahr habe ich dort gespielt. Auch weil ich nicht so weit weg sein wollte von meiner Familie.

chilli: Dann ging’s zum HSV in die Bundesliga. War es ein Traum, Fußballerin zu werden?

Caro: Ja. Am Anfang habe ich mich gar nicht damit befasst. Als ich für die Kreisauswahl gesichtet worden bin, wurde es interessant. Da dachte ich: „Wow, Frauen­fußball, da kann man auch ein bisschen was erreichen.“ Dann war es schon mein Traum, so hoch wie es geht zu spielen.

chilli: Das klappt gut: Du bist seit November 2016 bei der Nationalmannschaft. Und seit dem Sommer 2016 beim SC Freiburg. Dieses Jahr spielt ihr um die Meisterschaft mit. Was macht euch so stark?

Caro: Auf jeden Fall der Teamgeist. Wir haben eine super Mannschaft, verstehen uns auf dem Platz und neben dem Platz richtig gut. Haben echt sehr viel Freude, das sieht man auch im Spiel. Es ist definitiv der Teamgeist, der uns stark macht.

chilli: Woran müsst ihr noch arbeiten?

Caro: Wir müssen noch eine ganze Menge erarbeiten. Jede Einzelne hat noch ganz viele Baustellen. Insgesamt müssen wir noch konstanter spielen. Wir haben immer mal im Spiel Durchhängerphasen, dann bekommen wir Gegentore. Bisher ist unsere Qualität, dass wir das noch rausgerissen haben, wie beim Last-Minute-Tor gegen Hoffenheim. Daran sollten wir definitiv arbeiten, dass wir unsere Leistungen 90 Minuten lang bringen können.

chilli: Im November habt ihr das Spitzenspiel gegen Wolfsburg gewonnen. Auch dank eines Traumpasses von dir. Zwischenzeitlich wart ihr Tabellenführer. Wie realistisch ist die Meisterschaft?

Caro: Um ehrlich zu sein, machen wir uns da keine Gedanken. Wir rechnen selbst nicht damit. Favoriten sind eher Wolfsburg, Bayern, vielleicht Potsdam. Die Saison ist noch sehr jung. Von daher schauen wir nicht so auf unsere Platzierung.

chilli: Die EM war verkorkst. Ihr seid im Viertelfinale gegen Dänemark ausgeschieden. Auch in der WM-Quali läuft es nicht ideal. Woran liegt’s?

Caro: Ja, es lief nicht so wie erhofft. Ich glaube, da kommen viele Faktoren zusammen. Wir haben bei Weitem nicht abgerufen, was wir können. Was jetzt ausschlaggebend war, ist schwer zu sagen. Für uns sind die Niederlagen gegen Dänemark oder Island enttäuschend. Wir wissen ja, was in uns drinsteckt.

chilli: Frauenfußball wird noch belächelt. Was für Sprüche bekommt ihr zu hören?

Caro: Dass es Rumpelfußball ist, dass man es nicht anschauen kann. Natürlich bekommt man auch immer wieder von dem ein oder anderen jungen Mann zu hören: Wenn ich bei euch mitspielen würde, würde ich euch nass machen. Das sind schon die typischen Sprüche, die von den Jungs kommen.

chilli: Ärgert dich das?

Caro: Um ehrlich zu sein, nicht. Als ich noch jünger war, hat mich das schon mal gestört und getroffen. Jetzt gar nicht mehr, ich sage mir immer: „Denkt, was ihr wollt.“ Dass das Spiel von außen nicht so gut aussieht, verstehe ich. Manchmal ist es nicht so gut, beim Männerfußball ist das aber genauso. Männerfußball ist schneller, aber schöne Spiele sieht man ja auch nicht jedes Mal.

Steckbrief Verteidigerin Carolin Simon spielt seit der Saison 2016/2017 beim SC Freiburg. Seit November 2016 ist sie im Nationalteam von Trainerin Steffi Jones. Ihre Profi­karriere begann die ehemalige Junioren­nationalspielerin 2010 beim HSV. 2012 wechselte sie zum VFL Wolfsburg, 2013 zu Bayer Leverkusen. Ihr Freiburger Coach Jens Scheuer lobt sie als „überragende Außenbahnspielerin mit einem begnadeten linken Fuß“.

Foto: SC Freiburg