Die Kunst des richtigen Vererbens – Mathias Hecht über den steuerschonenden Vermögensübergang Finanzwelt | 22.07.2023

Haus als Sparanlage

Viele Menschen scheuen sich vor einer frühzeitigen Übertragung ihres Vermögens auf die nächste Generation. Dabei ist es steuerlich fast immer sinnvoll, Vermögen noch zu Lebzeiten zu übertragen. Der Bund hat im vergangenen Jahr 9,2 Milliarden Euro Erbschaftssteuer eingenommen, doppelt so viel wie 2009.

Der Erbschaft- und Schenkungsteuerzugriff durch den Staat lässt sich zunächst durch Freibeträge vermeiden oder senken. Eheleute dürfen sich alle zehn Jahre 500.000 Euro steuerfrei schenken, und ein Kind darf im Zehnjahresturnus 400.000 Euro steuerfrei erhalten – von jedem Elternteil. Wer frühzeitig beginnt, Vermögen zu übertragen, kann diese Beträge mehrmals ausschöpfen.

Besonders interessant: Wenn einem Ehegatten eine selbst genutzte Immobilie gehört und dieser auch ein hohes liquides Vermögen hat, kann er seiner Frau/Mann die eigengenutzte Immobilie steuerfrei schenken. Die/der Beschenkte verkauft dann das Eigenheim fast immer ertragssteuerfrei an den Ehegatten zurück, der/die dann den Kaufpreis zahlt und somit steuerfrei liquides Vermögen an seinen Ehepartner überträgt. Dieser Betrag ist nicht mehr Bestandteil einer späteren Erbschaft an die Ehegatten. Die Immobilie ist aber wieder zurück beim ursprünglichen Eigentümer. Grunderwerbsteuer fällt zwischen Ehepartnern auch nicht an.

Mathias Hecht

Bewohnt ein Erbe eine Immobilie aus dem Nachlass übrigens für mindestens zehn Jahre nach der Erbschaft selbst, fällt gar keine Erbschaftsteuer an. Allerdings muss er innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbanfall in die Immobilie einziehen und darf sie dann während der Zehnjahresfrist weder verkaufen noch vermieten oder verpachten. Bei Kindern ist die Steuerbefreiung auf eine Immobilie mit einer Wohnfläche von 200 Quadratmetern begrenzt.

Wenn Immobilien zu Lebzeiten an die künftigen Erben verschenkt werden, kann sich der Schenker ein sogenanntes Nießbrauchsrecht vorbehalten. Dadurch kann er die verschenkte Immobilie weiter nutzen oder vermieten, wobei ihm weiterhin die Mieteinnahmen zustehen, der Wert des Nießbrauchs reduziert aber die Schenkungssteuerbelastung.

Auch für den Fall von Enterbten gibt es steuerliche Regelungen: Durch Schenkungen zu Lebzeiten wird in der Regel das Vermögen im Todesfall gemindert. Dies hat Auswirkungen auf den Pflichtteil, den Enterbte geltend machen können. Aus diesem Grund werden Schenkungen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Tod veranlasst wurden, zum Nachlass gezählt und erhöhen damit den Pflichtteilsanspruch.

Unter Umständen kann es sogar vorteilhaft sein, ein Erbe auszuschlagen. Dies gilt nicht nur, wenn das Erbe aus Schulden besteht, sondern auch dann, wenn es so hoch ist, dass die persönlichen Freibeträge deutlich überschritten werden. Schlägt beispielsweise ein als Alleinerbe eingesetzter Ehegatte die Erbschaft zugunsten der gemeinsamen Kinder aus, dann verteilt sich das Erbe auf mehrere Personen, so dass jede von ihnen ihre Freibeträge nutzen kann.

Um alle steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten, vor allem bei Immobilien und Betrieben, zu nutzen, ist professioneller Rat unbedingt empfehlenswert.

Es wäre indes längst an der Zeit, dass der Gesetzgeber die Freibeträge an irgendeine Wertsicherung ankoppelt. Denn der Bund hat zwar seine Erbschaftssteuereinnahmen seit 2009 verdoppelt, er hat aber an den Freibeträgen keinen Cent geändert. Wäre beispielsweise bei Eheleuten der Freibetrag seit 2010 an den Hauspreisindex gekoppelt gewesen, hätte dieser im vergangenen Jahr bei 932.000 Euro gelegen.

Mathias Hecht ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Gesellschafter bei der Hecht Bingel Müller & Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Freiburg.

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