Mehr Beamte sollen Breisgau sicherer machen: Freiburg erneut kriminellste Stadt im Land Gesellschaft | 05.04.2023 | Philip Thomas

iStock-905514864_q_BrianAJackson

Freiburg bleibt die Landeshauptstadt des Verbrechens. 23.179 Straftaten listet die Polizeiliche Kriminalstatistik für das vergangene Jahr. Das sind insgesamt 1201 Delikte mehr als 2021 und mehr pro Kopf (9997) als in Mannheim (9547), Karlsruhe (8435) oder Stuttgart (8259).Die gute Nachricht: Der Freiburger Anstieg von 5,5 Prozent liegt unter dem Schnitt des gesamten Freiburger Präsidiums (+ 16,4 Prozent). Das soll laut Polizeipräsident Franz Semling bald Verstärkung bekommen.

Zwei Pandemiejahre lang war es verhältnismäßig ruhig auf Freiburgs Straßen. „2022 ist es laut geworden. Wir wollten feiern, teilweise wurden aber exzessive Verhaltensweisen an den Tag gelegt“, fasste Semling die aktuellen Zahlen zusammen. Mehr als jede zweite Straftat im Stadtkreis Freiburg (12.421) fand im öffentlichen Raum statt.

_MG_1035[1]

Sagt Drogenhandel im öffentlichen Raum den Kampf an: Freiburgs Polizeipräsident Franz Semling

Der 61-Jährige habe ein schwieriges Jahr erwartet. Dass es für die Beamten so anspruchsvoll wird, damit habe der Präsident jedoch nicht gerechnet. „Wir hatten mehr Schatten als Licht“, konstatiert er für das gesamte Zuständigkeitsgebiet Freiburg, Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen, Lörrach und Waldshut. So stiegen im Vergleich zum Vorjahr etwa Straßen- und Gewaltkriminalität um 32,3 Prozent beziehungsweise 28,2 Prozent. Besonders schwerer Diebstahl kletterte um rund 45 Prozent. Sexuelle Belästigung steht mit 52,5 Prozent im Plus.
Während sich die in Freiburg aufgenommenen Straftaten gegen das Leben wie Mord oder Totschlag von elf auf fünf halbierten, verdoppelten sich nahezu die zur Anzeige gebrachten Vergewaltigungen sowie Fälle von besonders schwerer sexueller Nötigung von 25 auf 46. Sogenannte Rohheitsdelikte, zu denen Körperverletzung, Raub oder Straftaten gegen die persönliche Freiheit zählen, notierten Freiburger Beamte in 3309 Fällen. Im Jahr zuvor waren es 2696.

250 Reichsbürger in der REGION

8964 Tatverdächtige konnte die Freiburger Polizei im vergangenen Jahr ermitteln. Mehr als drei Viertel (76 Prozent) waren Männer. Der Anteil nicht deutscher Verdächtiger stieg auf 43,7 Prozent (3920 Personen). Auch das Thema Reichsbürger beschäftigt Freiburgs Beamte. Rund 250 solcher Selbstverwalter zählt das Präsidium im Zuständigkeitsbereich. „Landesweit sind wir damit vorne mit dabei“, sagt der Leiter der Kriminaldirektion im Polizeipräsidium Freiburg, Arno Englen. Sieben Straftaten schreibt er dem Milieu zu.
„Man kann sich in Freiburg nicht nur tagsüber, sondern auch nachts sicher bewegen. Es gibt hier keine No-go-Areas“, kommentiert Semling die rote Laterne. Immerhin: Die Zahl der sogenannten „Gefährlichen Orte“ im Stadtgebiet sei von fünf auf drei reduziert worden. Von der Liste geschafft haben es der Johanneskirchplatz und das Einkaufszentrum Weingarten. Die Plätze mit besonders hoher Kriminalitätsbelastung bleiben der Colombipark, der Stühlinger Kirchplatz sowie das „Bermudadreieck“.

Die Lage in der Stadtmitte sei durch die im vergangenen Sommer gestartete und kontrovers diskutierte Videoüberwachung verbessert worden. 60 Prozent aller im Lagezentrum an der Bissierstraße beobachteten Delikte konnten laut Semling „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ vereitelt werden. Auch bei der Aufklärung hätten sich die 16 Kameras um die Löwen-, Niemens-, Universitäts- und Bertoldstraße bereits bewährt.

106.000 Überstunden im präsidium

Unbeobachtet lohnte sich Verbrechen – zumindest statistisch – etwas mehr als im Jahr zuvor: Die Aufklärungsquote sank von 65 Prozent im Vorjahr auf 56,7 Prozent und damit unter den Landesschnitt von knapp 62 Prozent. „Diese Kurve ist nicht schön, hat aber etwas mit der Arbeitsbelastung zu tun“, sagt Kripo-Chef Englen. Insgesamt 106.000 Überstunden leisteten Freiburgs 1921 Polizeibeamt·innen sowie knapp 400 Mitarbeiter – laut Semling die höchste Belastung in Baden-Württemberg.

Das soll sich ändern. Laut dem Polizeipräsidenten werden im Breisgau schon bald mehr Beamte in Blau unterwegs sein. Bis 2026 werde das Land voraussichtlich 800 neue Haushaltsstellen für seine 13 Präsidien schaffen. Und wegen eines neuen Zuweisungsschlüssels werde Südbaden davon „deutlich überproportional profitieren“.

Die frischen Kräfte will der Polizeipräsident auf öffentlichen Plätzen und zur Bekämpfung von Drogenkriminalität einsetzen. Englen geht davon aus, dass die aufgenommenen 1629 Fälle nicht die ganze Wahrheit abbilden. „Wir werden versuchen, den Bereich Rauschgift ins Helle zu holen“, betont Semling, der die Sicherheitspartnerschaft mit der Stadt ausbauen und sich auf jugendliche Szenen in der Öffentlichkeit konzentrieren will. Dem offenen Handel in Freiburg will er einen Riegel vorschieben: „Das ist ein No-go.“Statistik

Fotos: © iStock.com/BrianAJackson, PP Freiburg