Humorlos gehämmert: Linguist untersucht Fußballsprache STADTGEPLAUDER | 17.08.2019 | Till Neumann

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Seit Kindestagen ist Göz Kaufmann Schalke-Fan. Die Leidenschaft fürs runde Leder bringt der 54-Jährige auch in den Hörsaal: An der Uni Freiburg hat er gerade sein zweites Seminar zur Sprache des Fußballs gegeben. Inklusive fünf Tage Exkursion zu seinem Lieblingsclub. Den SC findet er sympathisch, aber harmlos.

Im Büro hängen ein blauer Wimpel und eine Fahne. Von Schalke 04. Für den Ruhrpott-Verein schlägt das Herz des Dozenten mit der durchwehten Frisur. Im Wintersemester hat Kaufmann die Passion zum zweiten Mal mit einem Haupt- und Masterseminar zum Lehrgegenstand gemacht. Der Titel: Kroos hämmerte das Spielgerät […] humorlos zum 3:0 in die Maschen: Zur Sprache des Fußballs.

Bei Literaturwissenschaftlern stößt er mit seiner Fußball-Forschung nicht immer auf Verständnis. Doch als Linguist ist Kaufmann überzeugt: „Das ist ein völlig valides Untersuchungsgebiet.“ Extrem spannend sei es, zu beobachten, wie Fußballsprache gesellschaftliche Entwicklungen abbilde. Ein Ausdruck wie „den Ball flach halten“ habe es in die Alltagssprache geschafft. Und kaum einer merke, dass das aus dem Fußball komme.

Fürs chilli-Gespräch ist Kaufmann vorbereitet: Auf der Onlineseite des Fußballmagazins Kicker hat er sich Beiträge zur Frauen-Fußball-WM angeschaut – und ein „erschütterndes Beispiel“ entdeckt: „English Girls sind weiter torgeil.“ Die Verbindung aus Girls und geil findet er problematisch. Über Männer werde weniger zweideutig berichtet. Den weiblichen Kickern attestiert er eine steigende Leistungskurve. Im Vergleich zu den Männern seien sie aber noch ein deutlich anderes Level.

Goez Kaufmann

Schalke-Fan und Forscher: Göz Kaufmann

Mit den Seminar-Teilnehmern macht Kaufmann Exkursionen. Beim ersten Anlauf vor neun Jahren ging es nach Nürnberg. Im vergangenen Semester war er mit einer Gruppe von zwölf Studierenden in Gelsenkirchen. Da spielt Schalke 04. Die Wahl des Vereins ist kein Zufall: „Fußballbegeisterte gibt es in ganz Deutschland, aber nur in Gelsenkirchen hat man den Eindruck, dass die lokale Identität sich zuweilen ausschließlich mit dem Namen einer Fußballmannschaft verbindet“, formuliert er in der Seminar-Beschreibung.

Fünf Tage lang war die Gruppe vor Ort. Sie sahen ein Spiel und trafen Mitarbeiter des Vereins, Fans und Journalisten. Ziel war auch, sprachliche Zeichen im öffentlichen Raum zu dokumentieren. Entdeckt haben sie nicht nur den -GE-KiOsk4 oder die Trinkhalle 04, sondern auch das Spezialgericht eines Restaurants: Ernst Kuzorra seine Frau ihr Burger. Kuzorra war ein legendärer Schalke-Spieler. „Jeder Verein hat ein eigenes Vokabular“, sagt Kaufmann. Auf Schalke rede man beispielsweise von den „Knappen“ oder „Königsblauen“. Je mehr Tradition, desto mehr Vokabular, ist er überzeugt.

Innovativ findet er die Fußballsprache nicht. Doch die intensive Berichterstattung mache Synonyme nötig. „Auch wenn es ein geiles Spiel ist, es passiert eben immer das gleiche“, so Kaufmann und lacht. Seine Studierenden haben die Sprache der Ultras untersucht oder die Formulierungen in Live-Tickern. Auch Vereinshymnen und die damit einhergehende Identifikation waren Thema. Er selbst hat bei der Exkursion von den Studierenden auch einen Begriff gelernt: Ich feier das.

Schalke-Fan ist er seit seinem neunten Lebensjahr. „Nach der WM 74 musste jeder seinen Verein haben“, erinnert er sich an die Jugend in Speyer. Sein Bruder war VfB-Stuttgart-Fan, viele unterstützten die Bayern oder Mönchengladbach. Er wollte „anders sein“. So stieß er auf Schalke 04. Der Club war damals Tabellensechster, wie Kaufmann noch genau weiß. Er ist sicher: Die Vereinswahl war nicht seine eigene. „Der Verein hat mich ausgewählt.“ Mit dem Sportclub Freiburg sympathisiert er dennoch. Für echte Leidenschaft ist ihm der SC aber einfach zu harmlos.

Foto: © Amelie Bock, Till Neumann