»Licht ins Dunkel bringen«: Freiburger Studie soll K.O.-Tropfen schneller erkennbar machen Kriminalität | 18.06.2024 | Till Neumann

Junge Frau, die sich die Hand an den Kopf hält über einem Glas gebeugt Sind K.O.-Tropfen im Spiel? Der Nachweis ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

Man hört immer wieder von Frauen, die mit K.O.-Tropfen außer Gefecht gesetzt werden. Doch konkrete Zahlen sind rar. Und der Nachweis oft schwierig. Das möchte das Freiburger Uniklinikum ändern. Eine Studie soll Licht ins Dunkel bringen und Betroffenen helfen. Dafür werden Testkits an Bars und Clubs verteilt. Die Polizei meldet wenig Fälle, geht aber von einer hohen Dunkelziffer aus.

Fälle mit sexuellen Übergriffen

„Viele kennen jemanden aus dem privaten Umfeld, der schon mal unbegründet ausgeknockt, weggetreten war, Erinnerungslücken hatte“, berichtet Pia Kuchenmüller vom Freiburger Verein Frauenhorizonte – Gegen sexuelle Gewalt. Belegbahre Zahlen liegen ihr keine vor. Doch sicher ist: „Wir haben immer wieder Frauen in der Beratung, die davon eben betroffen waren und dann sexualisierte Übergriffe erleben mussten.“

Daher unterstützen Frauenhorizonte die K.O.-Tropfen-Studie des Uniklinikums als Kooperationspartner. Mit dem Projekt nachtsam fungieren sie ohnehin als Brücke ins Freiburger Nachtleben. Am Uni-Institut für Rechtsmedizin koordiniert der Freiburger Medizinstudent Hannes Wagner das Projekt. Der 25-Jährige möchte so im Rahmen seiner Masterarbeit Betroffenen die Unsicherheit nehmen, Präventionsarbeit unterstützen und wissenschaftliches Licht in das Dunkelfeld bringen.

Test kommt oft zu spät

Das Freiburger K.O.-Tropfen-Testkit

Seit dem Start im Mai sucht das Team Kontakt zu Locations im Freiburger Nachtleben. Den Betreiber·innen bieten sie kostenlose Testkits an. An rund zehn Standorten sind diese bereits vorhanden, berichtet Wagner. Die Kits bestehen aus einem Becher für eine Urinprobe. Außerdem gibt es Infos zur Studie und einen Fragebogen.

„Das Problem ist, dass viele K.O.-Mittel nach zwölf Stunden nicht mehr nachweisbar sind“, erklärt Wagner. Doch viele Proben würden erst zwei Tage nach dem vermuteten Ereignis genommen – beispielweise beim Hausarzt. Also nach dem Wochenende und Gesprächen mit Freund·innen. „Wenn ich so spät messe, ist die Frage: Finde ich nichts, weil nie was da war? Oder finde ich nichts, weil es schon weg ist“, erklärt der Student. Der amtliche Nachweis der unsichtbaren Droge im Glas ist also ein Kampf gegen die Zeit.

„Einfach reinpinkeln“

Das Testen soll einfach sein: „Man kann die Urinprobe direkt im Club nehmen“, erklärt Wagner. Wer sich dort unwohl fühle, könne das Kit auch mit nach Hause nehmen. Wichtig dabei: Der Becher sollte zügig in den Kühlschrank. Sobald er kaltgestellt ist, könne man ihn auch erst nach zwei oder drei Tagen im Institut der Rechtsmedizin abgeben, erklärt Wagner. Das befindet sich an der Albertstraße 9 im Institutsviertel.

Wagner hat noch einen Tipp, falls kein Testkit da ist: „Man kann die Urinprobe in jedes Gefäß gewinnen.“ Auch ein gereinigtes Marmeladenglas sei beispielsweise möglich. „Einfach reinpinkeln, kaltstellen und uns bringen.“ Der große Vorteil hierbei: Die Proben sind kostenlos. Ohne die Studie fallen schnell mal über 100 Euro an, berichtet Wagner.

Kostenlos und anonym

Koordinator: Medizinstudent Hannes Wagner

Anfang Juni ist die erste Probe eingetroffen. Ob sie positiv ist, weiß Wagner noch nicht. Da das Angebot kostenlos und anonym sei, könne es ein paar Tage dauern, bis das Ergebnis vorliege. Ob die betroffenen Personen es erfahren möchten, könne beim Testbogen angegeben werden, so Wagner. „Alle weiteren Schritte hängen dann von der Person ab.“

Zahlen der Polizei

Das Polizeipräsidium hat für das Gebiet Stadt Freiburg im Jahr 2023 neun Fälle mit K.O.-Tropfen verzeichnet. Einer davon sei aufgeklärt worden, berichtet Sprecher Michael Schorr. Er sagt aber auch: „Die Dunkelziffer ist sehr hoch.“ 2024 bewege sich die Fallzahl bisher im unteren einstelligen Bereich. „Wir nehmen das Ernst, man muss aber vorsichtig sein und differenzieren“, so Schorr. Von einer Zunahme der Fälle kann er nicht berichten, er sieht sie eher auf konstantem Niveau. 2022 waren acht Fälle von K.O.-Tropfen beim Polizeipräsidium gelandet. Die Kollegen auf der Straße seien geschult für den Umgang mit möglichen Opfern und den Fällen. Das Verabreichen von K.O.-Tropfen ginge oft einher mit der Vorbereitung eines Sexual- oder Raubdelikts. 

Im Netz

Fotos: © iStock.com/fizkes, privat