Freiburger Hauptfriedhof mit Parkcharakter Land & Leute | 09.11.2023 | Reinhold Wagner

Freiburger-Hauptfriedhof

Trauerfeiern, Bestattungen, Grabbesuche – der Gang zum Friedhof hat zumeist einen bedrückenden Charakter. In Zukunft könnte sich das ändern. Die schrumpfenden Grabflächen machen Platz für Neues: Erholungsoasen für die Bewohner der angrenzenden Stadtgebiete.

Auf den Friedhöfen werden mehr und mehr Grabflächen frei. Das liegt an der veränderten Bestattungskultur: Der Trend weg vom Sarg- und hin zum Urnengrab, zu anonymen Bestattungen und zu Beisetzungen in einem Friedwald außerhalb der Siedlungen hält ungebrochen an. So rücken neue Nutzungsmöglichkeiten der Friedhöfe in den Fokus: als grüne Lunge, als öffentliche Park- und Gartenanlage, als Erholungsort und Lebensraum für scheue Tiere, aber auch als Flaniermeile in historisch bedeutsamem Umfeld zwischen Teichanlage, Denkmälern und altem Baumbestand.

Das gilt auch für die Stadt Freiburg. Damit die Infrastruktur der sich wandelnden Nutzung angepasst werden kann, existiert seit ein paar Jahren ein Entwicklungskonzept für die 17 städtischen ­Friedhöfe. Als erstes konkretes Einzelprojekt wurde 2022 im Zuge einer Ausgleichsmaßnahme von Bautätigkeiten im angrenzenden Güterbahnhof­areal die flache Teichanlage am Freiburger Hauptfriedhof eingetieft und ausgebaut. Mit vergleichsweise geringem Aufwand konnte hier ein großer Schritt hin zu einem ansehnlichen Park erreicht werden, den auch Besucher aus den angrenzenden Stadtteilen als attraktives Nah­erholungsgebiet nutzen können.

Teich im Friedhof

Der Friedhof als Landschaftsgarten: Mit der neu umgestalteten Teichlandschaft im nördlichen Teil des Freiburger Hauptfriedhofs ist ein fast paradiesisch anmutender Erholungsraum entstanden.

Sanfte Umgestaltung

Die Planung für die Umgestaltung oblag noch dem inzwischen pensionierten Leiter des Eigenbetriebs Friedhöfe, Martin Leser. Er erläuterte seinerzeit bei einer ersten Begehung im September 2020 angesichts des vollständig von Gräsern überwucherten Gewässerbetts: „Der nördliche Teil des Hauptfriedhofs ist mit seiner Teichanlage und den geschwungenen Wegen als typisch englischer Landschaftsgarten geplant gewesen. Der Teich wird vom Gewerbebach gespeist und ist sehr flach. Wird der Zulauf sommerlich abgestellt, ist das eine Katas­trophe für die dort lebenden Tiere. Nötig wären rund anderthalb Meter Tiefe und eine Abdichtung, damit das Wasser dauerhaft darin steht und sich wieder Tiere ansiedeln können.“ Im selben Zuge sollten auch neue Sitzbänke aufgestellt werden und ein paar Vogelfutterhäuser.

Der gelernte Landschaftsarchitekt sah eine sanfte Umgestaltung vor, die sowohl der Tierwelt als auch den Besuchern zugutekäme. Bis dahin unterlag das vom Gewerbebach gespeiste Biotop starken Schwankungen und war zeitweise kaum mehr als Gewässer erkennbar.

Fischreiher im Teich

Am selben Ort, drei Jahre später: Der seit August 2021 durch Martin Bornhauser neu besetzte Posten als Betriebsleiter macht dem Nachfolger Lesers sichtlich Freude. Die ausgedehnte Teichanlage ist nicht wiederzuerkennen. Voller Stolz präsentiert Bornhauser dieses Vorzeigeobjekt der Friedhofsumgestaltung: Wo zuletzt nur Gras und Unkraut zu sehen waren, glänzt jetzt der Wasserspiegel über einem sichtbar eingetieften Bett, das schwungvoll umrahmt ist von hellen Kieselsteinen unterschiedlicher Größe. Auch im Becken zeichnet sich unter Wasser deutlich die gekrümmte Spur einer Furt aus großen Steinblöcken ab, von denen ein paar die Wasseroberfläche durchbrechen. Einige höherwüchsige Wasserpflanzen säumen den Uferbereich. Und auch die kleine Insel in der Teichmitte leuchtet kontrastreich von Steinen umrahmt.

Aus dem eher unansehnlichen temporären Stehgewässer der letzten Jahre ist ein verwunschenes kleines Paradies geworden. „Ein paar Vögel und Wasserbewohner haben sich auch schon angesiedelt“, freut sich Bornhauser. „Es gibt Gänse und Enten. Und ein paar Molche dürften auch im Wasser zu finden sein.“ Die Blicke schweifen suchend umher. Gerade in diesem Moment stößt ein Fischreiher am anderen Ufer mit seinem langen, spitzen Schnabel wie mit einem Speer ins Wasser und zieht einen stattlichen Frosch aus dem Schlamm. Für den Frosch ist alles zu spät, aber für den Reiher scheint hier das Paradies auf Erden entstanden zu sein.

Fotos: © Reinhold Wagner