Imposantes Unikat: 110 Jahre Badischer Bahnhof Basel Land & Leute | 07.10.2023 | Erika Weisser

Badischer Bahnhof Basel Innenbereich bei Nacht Die Schalterhalle des Badischen Bahnhofs war nicht immer so frei passierbar wie heute.

Am 13. September 1913 wurde in Basel das neue Gebäude des Badischen Bahnhofs eröffnet. Seither ist die Stadt am Rheinknie der weltweit einzige Ort mit einem exterritorialen Bahnhof eines anderen Landes. Ein Blick in die wechselhafte Geschichte.

Kurz nach Weil kündigt eine Lautsprecherstimme im Zug als nächsten Halt den Badischen Bahnhof an. Und fügt hinzu, dass wenige Minuten später der Schweizer Bahnhof erreicht werde. Bei manchen Fernreisenden löst die Ansage Verwirrung aus; sie wissen nicht, ob ihr Anschlusszug an der German oder an der Swiss Station abfährt. Wenn sie überhaupt Glück haben und der aus Deutschland kommende Zug wegen Verspätung nicht gleich hier endet.

Dabei wäre die in dem imposanten Bau untergebrachte Bahnstation für das Schweizer Eisenbahnnetz nicht einmal nötig gewesen: Ab 1854 wurde der seit den 1830er-Jahren in alle Richtungen ausgebaute Schienenverkehr über den Centralbahnhof (heute SBB) geregelt. Doch auch das Großherzogtum Baden, das zur gleichen Zeit die Geleise der Rheintalbahn nach Süden vorantrieb, beanspruchte einen Bahnhof – als Drehscheibe für geplante Strecken ins Wiesental und an den Bodensee. Und da die linksrheinischen Orte Kleinbasel, Riehen und Bettingen nach einer uralten Grenzziehung bis 1522 nicht zur Eidgenossenschaft gehörten, wurde Kleinbasel als idealer Standort ausgemacht.

Nach einem 1852 geschlossenen und bis heute geltenden Staatsvertrag über die „Weiterführung der badischen Eisenbahnen über Schweizer Gebiet“ wurde 1868 in der Nähe der heutigen Messehallen eine provisorische Bahnstation eingerichtet. Diese war jedoch der aufstrebenden Stadtentwicklung im Weg; nach langwierigen Planungen und einer dreieinhalbjährigen Bauzeit wurde der Badische Bahnhof am 13. September 1913 schließlich am heutigen Standort eingeweiht – und hatte 65 Millionen Franken verschlungen. Schon nach elf Monaten wurde er wieder geschlossen: Nach Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 sperrte Schweizer Militär den Zugverkehr bis Mai 1919.

Schlupfloch in die Freiheit

Was heute also als lästiges Glücksspiel mit der Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn erlebt wird, war für viele Passagiere einst bitterer Ernst. Vor allem ab 1933, als die Nazis in Deutschland die Macht übernahmen und nicht nur die von vielen Baslern trefflich als „Hitlerfetzen“ bezeichnete Hakenkreuzfahne am Turm aufhängten, sondern auch die Kontrollen an den Perrons drastisch verschärften. Für politisch und rassisch Verfolgte war der Bahnhof nur für kurze Zeit ein Schlupfloch in die Freiheit: Nach dem erwähnten Staatsvertrag hatte deutsche Polizei hier zwar nur eingeschränkte Befugnisse. Doch die Agenten scherten sich nicht um Verträge und Gesetze. Und so endeten viele Fluchtversuche in den Händen der Gestapo, besonders nach Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Eine Ausnahme ist Käthe Vordtriede, Sozialdemokratin mit jüdischen Wurzeln aus Freiburg. Sie fuhr am 2. September 1939 ohne Gepäck und Visum mit dem Zug nach Basel – und geriet bei der Ausweiskontrolle an einen verständigen Schweizer Bahnbeamten, der sie nicht zurückschickte.

Heute ist davon nichts mehr zu spüren – auch im Bahnhofsbereich sind die Grenzen offen, und täglich durchqueren hier Tausende von Pendlern und Ausflüglern die 2006 renovierten Hallen. Gelegentlich stellt sich aber doch ein kurzes Gedenken an frühere Schicksale ein.

Foto: © Latschari at German Wikipedia, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons