Geteilte Geschichte: Interview mit Bernard Bour Land & Leute | 25.12.2023 | Pascal Lienhard

Fort de Mutzig: Kanonenbatterie Geld, Intelligenz und Arbeitskraft für den Krieg: das Fort de Mutzig.

Während des Deutschen Kaiserreichs als unterirdisches Bollwerk im Elsass errichtet, ist das gigantische Fort de Mutzig heute ein Ort der deutsch-französischen Partnerschaft. Dafür steht etwa Bernard Bour, Vorsitzender des Vereins Fort de Mutzig. Im Gespräch mit Volontär Pascal Lienhard berichtet er von seiner binationalen Geschichte und der Botschaft, die er Gästen vermitteln möchte.

Lust auf REGIO: Wie hat Sie die deutsch-französische Freundschaft geprägt?
Bour: Sie zieht sich durch mein ganzes Leben. Ich wurde 1947 in Tübingen geboren. Meine Mutter kommt aus Reutlingen, mein Vater aus Lothringen. Er arbeitete beim französischen Militär und wurde ins Elsass versetzt. Als wir nach Frankreich zogen, war ich sechs Jahre alt. Kurz nach dem Krieg war es als Deutscher im Elsass nicht einfach. Inzwischen hat sich das zum Glück geändert.

Lust auf REGIO: Wann wurde Ihr Interesse für die Festung geweckt?
Bour: Sehr früh. Wir lebten am Fuß des Forts. Für Kinder war das Gelände natürlich ein Abenteuer. Als Erwachsener habe ich mich mit der Geschichte der Feste beschäftigt. Der Bau begann 1893, als das Elsass Teil des Deutschen Reichs war. Bei meinen Recherchen habe ich mich mit vielen Menschen ausgetauscht und sowohl Franzosen als auch Deutsche kennengelernt. Mit fünf oder sechs Leuten haben wir 1984 den Verein Fort de Mutzig gegründet und begonnen, Teile der Festung zu restaurieren. Aktuell sind zehn Prozent der Anlage begehbar.

Bernard Bour

Botschafter der deutsch-französischen Freundschaft: Seit rund vier Jahrzehnten beschäftigt sich Bernard Bour mit der Geschichte des Fort de Mutzig.

Lust auf REGIO: Inwieweit steht bei Ihrer Arbeit die Binationalität im Fokus?
Bour: Dieser Aspekt war mir von Anfang an wichtig. Franzosen und Deutsche teilen ihre Geschichte. Das sieht man gerade im Elsass. Das Gebiet ist ein Mischprodukt der Geschichte beider Länder. Wir sollten uns in Richtung einer europäischen Geschichte öffnen. Unsere Vernetzung reicht von der Frühzeit bis in die Gegenwart. Dafür ist das Fort de Mutzig ein Symbol. Als Verein wollen wir mit unseren Füh­rungen das einseitige nationale Geschichtsbild ein Stück weit korrigieren.

Lust auf REGIO: Schlägt sich das auch in der Zusammensetzung des Vereins nieder?
Bour: Ja. Zu Beginn hatten wir hauptsächlich französische Mitglieder, inzwischen kommen ein Viertel der rund 70 aktiven Mitglieder aus Deutschland. Schon in den ersten Jahren haben wir einen deutschen Partnerverein in Stuttgart gegründet. So sind viele Freundschaften entstanden. Da ich beide Sprachen sehr gut spreche, war ich von Anfang ein Bindeglied. Während sich andere mehr für die Technik oder die Erforschung der Festung interessiert haben, wollte ich die deutsch-französischen Verbindungen aufzeigen.

Lust auf REGIO: Beobachten Sie bei jüngeren Generationen ein Interesse für das Thema?
Bour: Unsere größten Besuchergruppen sind Familien und Schulklassen. Für Lehrer ist der Besuch hier ein Kapitel des Geschichtsunterrichts. Wenn sie mit ihren Klassen unterirdisch unterwegs sind, hören die Schüler gebannt zu. Alle Lehrer, die uns besuchen, kommen regelmäßig wieder. Bei der Vereinsarbeit ist es anders. Wir sind alle älter als 60 Jahre. Leider engagieren sich junge Leute kaum mehr im Verein.

Lust auf REGIO: Warum lohnt sich gerade in Zeiten zunehmender Krisen und Kriege ein Besuch des Forts?
Bour: Aktuell haben wir viele ­Besucher, auch aus Deutschland, die sich dafür interessieren, wie militärische Auseinandersetzungen eigentlich entstehen. Leider gibt es immer noch verrückte Leute, die glauben, dass sie mit Krieg irgendetwas besser machen können. Das Fort de Mutzig wurde im Frieden gebaut, beruhte aber auf Plänen für den nächsten Krieg. Dafür flossen viel Geld, Intelligenz und Arbeitskraft. Damals war die Festung die modernste ihrer Art und äußerst effizient. Trotzdem hat Deutschland den Krieg verloren. Letztlich unterliegen die aggressiven Angreifer immer. Das wollen wir hier demonstrieren.

Fotos: Fort de Mutzig, privat