Gstieß, Mund, Geiß: Cego – Südbadisches Kult-Kartenspiel Land & Leute | 15.01.2022 | Heidi Knoblich

Fidelius Waldvogel Beim Cego-Spielen zeigt der Schwarzwälder seine Seele, weiß Kabarettist Martin Wangler, der in der REGIO vor allem als Fidelius Waldvogel bekannt ist.

Während der landwirtschaftlichen Pause, zwischen Sankt Martin und Ostern, wurde einst an den Holztischen der Gasthäuser und in der warmen Stube der Schwarzwälder Bauernhöfe Cego gezockt. Jetzt lebt das traditionelle Kartenspiel neu auf.

„Der Schwarzwälder isch jo eigentlich ein sehr Ruhiger“, sagt der aus Breitnau im Hochschwarzwald stammende Schauspieler und Kabarettist Martin Wangler. „Aber wenn er dann im ene Spiel drin isch und er gwinnt oder verliert, dann goht’s halt heiß her. Wemmer de Rausch eimol gspürt het, no kunnt mer au nimi nus.“ Es geht ums Reizen und Aufdecken, um fremdländische Begriffe wie Soli, Fort Soli, Soli Ulti und Zwischenspiele wie Piccolo, Räuber und Bettel. Man spielt immer auf volles Risiko, und es geht dabei ganz und gar nicht demokratisch zu. „Es heißt meistens: Einer gegen alle.“

Mit seinem Schauspielkollegen Nikolaus König und dem Feldberg-Ranger Achim Laber hat Wangler das traditionelle Spiel mit dem exotischen Namen wiederbelebt. Er hat es unter anderem als Kulturgut in die Fernsehserie „Die Fallers“ eingebracht und mit Jirka Dell’Oro-Friedl, Professor für Computerspiele von der Hochschule Furtwangen, „Cego-Online“ entwickelt, eine Plattform, mit der man weltweit Cego am Computer lernen und spielen kann.

„Für mich isch es wirklich ein sehr emotionales Spiel, mit dem mer die Nächte durchspiele ka“, erzählt Wangler. Seine Oma hat dem heute 52-Jährigen das Cegospiel beigebracht, und schon als Bub hat er den Tanten und Onkeln beim Spiel über die Schulter geschaut. „Wenn d Oma dann als mol verlore het, isch sie so fuchsteifelswild worre und hät d Karte ins Ofeloch hinterigworfe. Dann sin die Cegokarte durch d Stube gfloge.“

Der Begriff „Cego“ ist vom spanischen Wort „ciego“ (blind) abgeleitet. Mit dem „Blinden“ ist das verdeckte Kartenblatt gemeint – zehn Karten, die zu Spielbeginn in die Tischmitte gelegt werden –, die große Unbekannte. Gespielt wird zu dritt oder zu viert gegen den Uhrzeigersinn mit 54 Karten, die aus 22 Trümpfen und 16 Bildkarten sowie 16 leeren Karten bestehen.

Man spielt mit Tarockkarten, deren illustre Namen zum Teil die Verballhornung französischer und spanischer Wörter sind wie der „Gstieß“ (excusez). Wangler nennt ihn den „Herrgott der Trümpfe“. Weil diese Karte meist einen Musikanten darstellt, heißt sie auch „Lautenmann“ oder „Giigema“. Der „Mund“ oder „Mond“ (el mundo, le monde) ist die zweithöchste Trumpfkarte. Alte Tarockkarten bildeten hier die Weltkugel ab. „Geiß“ oder „Bapperle“ (italienisch bagatello) oder „kleiner Mann“ steht für den niedrigsten Trumpf.

Das variantenreiche Kartenspiel, das die Bauern einst über die harten Winter brachte, ist auf verdeckten Pfaden in den Schwarzwald gekommen. Der aus dem Wiesental stammende Cego-Experte Gerold Blümle vermutet eine Vermischung zweier Spiele: Als Südschwarzwälder Truppenteile, vormals Vorderösterreichische Soldaten, als Neu-Badener 1808 bis 1813 mit Napoleons Truppen gegen Spanien in den Krieg zogen, passten sie dort ein Spiel namens L’hombre ihren Österreichischen Tarockkarten an. Zurück in der Heimat verbreitete sich das Spiel genau auf das Gebiet Baden/Hohenzollern und wurde zum badischen Nationalkartenspiel.

„Bim Cegospiele blibbt mer hocke bis spot in d´Nacht da duet mer zogge. Kreiht de Gigel dann im Hühnerhus, fliege Spieler zu de Wirtschaft nus“, singt Martin Wangler alias Fidelius Waldvogel in seinem Cego-Lied. „Des isch e Art Sucht“, sagt er. „Früher sin jo ganze Höfe verspielt worre. Hit goht’s meistens um e paar Euro.“

Doch vor allem um die Freude und die Spielleidenschaft geht es dem Schwarzwälder. Und um die Erkenntnis, „was für en Mensch dehinter isch“. Denn bei diesem Spiel zeigt der Schwarzwälder seine Seele.

Info

www.cego-online.de

Foto: ©  Martin Wangler