Mikrokosmos Spargelhof: Banges Warten auf die Erntehelfer STADTGEPLAUDER | 11.04.2021 | Tanja Senn

Spargelfeld 2020 sind viele Stangen auf den Feldern verblieben – für dieses Jahr hoffen die Spargelbauern auf mehr Helfer.

Bei vielen Genießern ist die Vorfreude auf den ersten Spargel groß. Die Bauern blicken aber mit Sorge in die Zukunft. Im letzten Jahr konnten nicht alle Stangen gestochen werden, es fehlten Erntehelfer. Ob diese Saison besser wird, ist noch offen.

Die gute Nachricht vorweg: Zu Ostern wird es den ersten südbadischen Spargel geben. Da ist sich Simon Schumacher, Vorstandssprecher des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE), bereits Wochen zuvor sicher.

Nicht ganz so zuversichtlich zeigt er sich, was die Situation der Erntehelfer in dieser Saison angeht. Noch dürfen die Saisonarbeiter aus Rumänien oder Polen mit einem negativen Testergebnis einreisen – sollten sich die Inzidenzwerte in diesen Ländern aber verschlechtern oder sich Mutationen verbreiten, fürchtet Schumacher einen erneuten Einreisestopp. Letztes Jahr seien einige Stangen auf den Feldern verblieben, weil niemand da war, der sie ernten konnte. Die Saisonarbeiter mussten teuer eingeflogen werden, zudem hatten viele Angst, ins Ausland zu reisen.Das hat sich in der Erntemenge bemerkbar gemacht: Während 2019 in Baden-Württemberg noch mehr als 11.000 Tonnen geerntet wurden, waren es vergangenes Jahr nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamt nur gut 8000 Tonnen. So wenig Spargel wurde seit Jahren nicht mehr gestochen. Dementsprechend sind auch die Ernteflächen im Ländle zurückgegangen – um rund 200 auf 2100 Hektar. Diesen Trend gebe es allerdings schon länger, weiß Schumacher: „Die Branche leidet seit Jahren unter den niedrigen Preisen und der Knappheit der Erntehelfer.“

Grüner Spargel mit Preisschild

Die von einigen befürchtete Insolvenzwelle sei jedoch ausgeblieben. Ein paar Betriebe hätten die Produktion eingestellt, für sie war die Pandemie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. „Aber eigentlich hat sie nur den normalen Strukturwandel beschleunigt“, weiß der Vorstandssprecher des Spargelverbands. „Gut funktionierende Betriebe sind durch die Corona-Krise nicht Pleite gegangen.“

Schwer hatten es vor allem die Bauern, die stark von der Gastronomie abhängig waren. Für sie könnte es nun das zweite Jahr in Folge schwierig werden. Bei der Direktvermarktung sei es wegen der guten Preise zwar einfacher gewesen, doch im Dreiländereck fehlten die Käufer aus dem Ausland. „Wir haben viele Kunden aus dem Elsass“, erzählt Lucyna Heitz vom Spargelhof Hügel & Heitz aus Neuried-Altenheim in der Ortenau. „Die haben uns letztes Jahr wegen der geschlossenen Grenzen gefehlt.“

„Wir haben zu Kämpfen“

Auch auf ihrem Hof seien viele Stangen im Boden geblieben, weil die 15 Erntehelfer, die sie normalerweise einsetzen, nicht kommen konnten. Ob die Saison dieses Jahr besser laufe, sei zu ihrem Beginn noch nicht abzusehen. „Wir haben zu kämpfen“, sagt die Landwirtin.

Da bei ihnen die Unterkünfte mit zwei Helfern pro Container großzügig bemessen sind, musste Familie Heitz nicht umbauen. Viele andere Bauern hätten aber den Winter genutzt, um die Unterkünfte zu vergrößern und neu zu gestalten, berichtet Schumacher. Das soll – zusammen mit ausgeklügelten Hygienekonzepten – das Ansteckungsrisiko minimieren. Ein Corona-Hotspot seien die Spargelhöfe aber von Natur aus nicht: „Die Erntehelfer haben viel weniger Kontakte als die Gesamtbevölkerung. Auf den Höfen herrscht eine Art abgegrenzter Mikrokosmos.“ Deshalb müsse auch darauf geachtet werden, dass die ausländischen Helfer wenig Kontakt zu den Mitarbeitern vor Ort haben, die ja abends wieder zu ihren Familien zurückkehren.

Eine Alternative zu den rumänischen und polnischen Erntehelfern sieht Schumacher nicht: „Wir haben es letztes Jahr mit inländischen Arbeitskräften probiert, aber es waren viel zu wenige. Einige Studierende und Selbstständige, die das Geld dringend brauchten, sind dabei geblieben. Aber die meisten, die nur aus Solidarität geholfen haben, waren nach zwei Tagen wieder weg – das hilft uns nicht.“

Fotos: © Pixabay, VSSE