Habecks Hickhack: Klimaschutzminister legt Salto rückwärts bei KfW-Förderung hin Politik & Wirtschaft | 16.02.2022 | Lars Bargmann

Baustelle

Ist das die Handschrift des neuen Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz? Mit einem Federstrich hat Robert Habeck (Grüne) die staatseigene KfW am Abend des 21. Januar angewiesen, mit einer Vollbremsung das Zuschussportal für klimafreundlichere Gebäude von jetzt auf gleich lahmzulegen. Auf null. Kein Cent mehr für die, die noch keines bewilligt bekommen hatten. Ein Sturm der Entrüstung zog übers Land.

Acht Tage später legte Habeck einen Salto rückwärts hin: Alle bis zum 24. Januar eingereichten Anträge, es sind etwa 24.000, würden doch bearbeitet und auch das Geld, mit dem die Antragsteller – vom kleinen Häuslebauer bis zum großen Bauträger – gerechnet hatten, soll ausgezahlt werden. Tausende atmeten auf. Diejenigen aber, die das offizielle Datum 31. Januar als Deadline für bare Münze genommen hatten und einfach noch nicht fertig waren mit den Anträgen, sind weiter blass im Gesicht.

Angst und Panik sind auf den Finanzmärkten keine guten Ratgeber. Auf politischer Ebene sind sie wie Bohnerwachs auf dem Parkettboden des Vertrauens. Es sei „kein politisches Glanzstück“ gewesen, räumte Habeck am 1. Februar öffentlich ein. Ein Euphemismus.

Für den Freiburger Baubürgermeister Martin Haag war das Hickhack „handwerklich politisch ganz schlecht“. Auch wenn er Verständnis dafür habe, dass die aktuellen Förder-Parameter zur Debatte stehen. „Viel Vertrauen verspielt“, kommentierte Freiburgs Handwerkskammerpräsident Johannes Ullrich: „Das gerade eine Bundesregierung, die diese Energiewende voranbringen will, eine solche Entscheidung getroffen hat, ist mehr als befremdlich.“ Bei mehreren Freiburger Bauträgern gab es am Montagabend spontane Krisensitzungen.

Alexander Simon, Geschäftsführer der Vereinigung Freiburger Wohnungs- und Gewerbeunternehmen, sagte am 25. Januar: „Das ist für viele Bauwillige eine Katastrophe.“ Der Verwaltungsrechtler hält das Vorgehen auch juristisch für „bedenklich“. Das scheint auch in Berlin ein Antrieb für den Salto rückwärts gewesen zu sein.

Zwischen Hü (24.1.) und Hott (1.2.) machte der SPIEGEL mit dem Thema auf und fand wohl heraus, dass sich Olaf Scholz (damals SPD-Finanzminister) und Peter Altmaier (damals CDU-Wirtschaftsminister) schon vor der Bundestagswahl im vergangenen September darauf verständigt hatten, das KfW-55-Förderprogramm zu stoppen. Allerdings haben sie sich danach den Mantel des Schweigens angezogen. Öffentlich wurde der Stopp erst nach der Wahl, im November. Letzte Einfahrt 31. Januar, hieß es damals. Und zwar nur für die KfW-55-Anträge. Gesperrt wurden in der Nacht-und-Nebel-Aktion übers vierte Januarwochenende aber auch die KfW-40- und die Sanierungsförderungen.

„Die enorme Antragsflut im Januar insbesondere für Anträge für die EH55 Neubauförderung hat die bereitgestellten Mittel (fünf Milliarden Euro, d. Red.) deutlich überstiegen. Angesichts der vorläufigen Haushaltsführung musste die KfW das Programm daher heute mit sofortiger Wirkung stoppen“, war am Morgen des 24. Januar auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums zu lesen. „Es gibt hier Vertrauenstatbestände, viele Menschen haben die größte Investitionsentscheidung ihres Lebens getroffen“, kritisierte Haag.

Es konnte auch wirklich niemand damit rechnen, dass es zu einer Antragsflut kommen würde, wenn die KfW ankündigt, die üppige 55er Förderung einzustellen. Genauso wenig wäre damit zu rechnen, dass es einen überfallartigen Ansturm auf Tickets gäbe, wenn der SC zu Hause gegen Manchester City oder Real Madrid spielen würde. „KfW – Bank aus Verantwortung“, lautet der Werbeslogan. Allenfalls Berufszyniker mochten noch Gefallen daran finden.

Schon 2020 waren die KfW-Förderungen für Privatkunden, die energieeffizient bauen oder sanieren wollen, von 11,2 (2019) auf 26,8 Milliarden Euro nach oben katapultiert. In den ersten drei Quartalen 2021 waren es 19,5 Milliarden. Derzeit sind knapp 24.000 Anträge noch offen: 20.200 für KfW-55-Gebäude, 3000 für KfW-40 und 700 Sanierungsvorhaben. Laut KfW waren allein seit November Anträge über 20 Milliarden Euro Fördervolumen eingegangen.

Viele Experten sind sich indes einig, dass die 55er-Förderung schon länger verfehlt war. „Da gab es einen Haufen Geld für nichts“, sagt etwa Johannes Müller, Partner beim Energieexperten-Büro Stahl+Weiß in Freiburg. Der 55er-Standard hat sich auf dem Markt längst durchgesetzt. Im Prinzip sponserte der kleine Steuerzahler die Erlöse von großen Unternehmen. Einen großen Schluck aus der Förderpulle konnten Investoren nehmen, die Studierenden-Wohnheime mit mehreren hundert Apartments gebaut haben. Mit den KfW-Programmen seien auch Luxusapartments und Penthäuser gefördert worden, „mit unserem sauer verdienten Steuergeld“, sagte Habeck am 2. Februar im ARD-Morgenmagazin.

Insofern steht immerhin die Erklärung des Bundeswirtschaftsministeriums, dass „eine massive klimapolitische und fiskalische Fehlsteuerung der letzten Jahre“ den Stopp verursacht habe, auf festem Fundament. Bauherren, die sowohl 55er- als auch 40er-Gebäude schon gebaut und im Bestand haben, berichten hinter vorgehaltener Hand, dass sich diese beiden beim tatsächlichen Wärmeverbrauch kaum messbar unterscheiden. Wie Nachrichtenagenturen hängt auch der SPIEGEL noch dem Glauben an, dass die Bewohner keinen Einfluss auf den Verbrauch haben, denn sie berichten, dass diese Häuser nur 55 oder 40 Prozent der Energie eines Standardhauses benötigen würden. Es ist indes keine gewagte These, dass kein einziges KfW-55er-Haus mit 55 Prozent des Primärenergiebedarfs auskommt. Wie viel Wärme ein Gebäude benötigt, entscheiden die, die drin wohnen. Die mit offenem Fenster schlafen, am offenen Fenster rauchen, beim Kochen oder nach dem Essen lüften, lieber lange und heiß als kurz und knackig duschen.

Robert Habeck

Robert Habeck

Die Förderprogramme heizten jahrelang eine regelrechte Dämmorgie an. Immer dichtere Häuser, die 24/7 zwangsbelüftet werden müssen – was nebenbei auch Strom kostet. Zudem verringern die dicken Dämmpakete bei KfW-40-Häusern oft die Wohnfläche, weil die Baufenster mit der Dämmung nicht mitwachsen. Bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung mache das schnell mal 1,5 Quadratmeter aus, rechnet der Freiburger Projektentwickler Peter Unmüßig vor.

Die Gebäudeförderung soll nun, so heißt es in einer Pressemitteilung der Regierung, „hinsichtlich ihres Klimaschutzbeitrags geprüft und weiterentwickelt“ werden. Es gehe darum, eine klimapolitisch, ganzheitlich orientierte Förderung für neue Gebäude aufzusetzen. Mit Blick auf eine hohe Förder­effizienz, mithin einer möglichst hohe CO2-Einsparung, werde ein zentraler Fokus künftig auf der Bestandssanierung liegen.

Darüber hinaus diskutiere das politische Berlin ein neues Programm für Neubauten, welches Bauen mit nachhaltigen Baustoffen und die Lebenszyklus-Treibhausgas-Emissionen pro Quadratmeter Wohnfläche ins Zentrum stellt. Viel Zeit bleibt nicht. Die Bundesregierung müsse „schnellstmöglich ein verlässliches Nachfolgeprogramm auf die Beine stellen“, fordert nicht nur HWK-Vizepräsident Christof Burger. Die Länder NRW, Bayern und Brandenburg haben „sehr kurzfristig“ eine Sonder-Bauministerkonferenz mit dem Bund gefordert. Das „Hickhack“ müsse sofort beendet werden, so NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach. Der Förderstopp bedrohe Bauvorhaben im ganzen Land, verunsichere Eigentümer und sorge letztlich auch für Mietsteigerungen.

Die Entscheidung der Bundesregierung „torpediert die Bezahlbarkeit des Wohnens, die Maßnahmen beim öffentlichen Wohnungsraum und den frei finanzierten Wohnungsraum in der gesamten Bundesrepublik Deutschland“, heißt es in dem Schreiben. Auch Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, schlug Alarm: Der Förderstopp lege „nach wenigen Wochen Regierungsarbeit die Axt an das ohnehin ambitionierte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr und das Erreichen der Klimaziele im Gebäudebestand“.

Fotos: © bar, Urban Zintel