Landtagswahl 2021: Kretschmann deutlich vor Eisenmann Politik & Wirtschaft | 26.02.2021 | Lars Bargmann

Ankreuzen eines Wahlbogen

Das deutsche Superwahljahr 2021 startet am 14. März mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz. Es startet mit freien Wahlen in einer liberalen Demokratie. Selbstverständlich. Könnte man denken. Aber die vergangenen Jahre haben gezeigt – nicht zuletzt in der größten und einer der ältesten Demokratien der Welt -, dass freie, faire Wahlen zunehmend etwas Besonderes und nichts Selbstverständliches sind.

70,4 Prozent der Wahlberechtigten, gut 5,4 Millionen, hatten am 13. März 2016 den 16. Landtag im Ländle gewählt. Es war die beste Beteiligung seit den 80er-Jahren. Ein gutes Zeichen. Mehr als 2,2 Millionen Bürger hatten diese Wahl aber auch nur mit einem Schulterzucken quittiert. Es steht zu hoffen, dass am 14.  März deutlich weniger Menschen nicht an die Urne gehen. Nicht zuletzt, um das Besondere wertzuschätzen.

58 Jahre lang hatte in Baden-Württemberg die CDU den Ministerpräsidenten gestellt, sich in den Chefsessel in der Villa Reitzenstein gesetzt. Der 27. März 2011 markierte – direkt nach der verheerenden Fukushima-Katastrophe – einen Wendepunkt. Seither ist der Grüne Winfried Kretschmann Landesvater, fünf Jahre lang regierte er mit der SPD, seit 2016 ist die CDU der Juniorpartner in der Koalition.

Ringen um Chefsessel in der Villa

Das könnte auch so bleiben: Nach der repräsentativen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen fürs Politbarometer vom 5. Februar behaupten die Grünen ihre Spitzenposition mit 34 Prozent vor der CDU mit 28 Prozent. Die AfD kommt auf 11, die SPD auf 10 die FDP auf 9 – und alle anderen zusammen auf 5 Prozent. Viel mehr als ein Stimmungsbild ist das nicht. Dass aber Kretschmann in der Gunst der Bürgerschaft mit 70 Prozent fast eine Stadionrunde vor der CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann (13) liegt, ist mehr als das: Selbst unter den CDU-Wählern hat die Kultusministerin der Umfrage zufolge nur 22 Prozent Zuspruch.

Am 13. März 2016 war erstmals auch die AfD in den Landtag eingezogen, hatte aus dem Stand mit 15,1 Prozent die SPD (12,7) rechts überholt. Am 14. März 2021 treten nun zum ersten Mal die Freien Wähler an, die in beiden Freiburger Wahlkreisen (siehe Infobox) den Fraktionsvorsitzenden und Rechtsanwalt Johannes Gröger in den Ring schicken. „Die Freien Wähler sitzen bereits in vielen Kommunalparlamenten. Es basierte auf alten Absprachen, vor allem mit der CDU, dass wir nicht für den Landtag kandidiert haben. Da wir aber nicht mehr restlos begeistert sind, wie die CDU die bürgerlichen Interessen vertritt, wollen wir nun selber rein“, begründet Gröger.

Als wichtigste Themen nennt der 65-Jährige den Ausbau des Bildungsstandorts; einen – wie beim Müll – umlagefinanzierten ÖPNV; massiv größere Fördertöpfe für den sozialen Wohnungsbau; einen Bürokratieabbau, vor allem beim Bauen; einen Klimaschutz, der nicht verordnet, sondern durch die Förderung der Innovationskraft der Wirtschaft erreicht wird sowie eine Ausbildungs- und Imageoffensive für die berufliche Ausbildung. Ob die Freien Wähler aus dem Stand die Fünf-Prozent-Hürde nehmen könnten?

Erstmals ein Stück vom Kuchen, den sich aktuell Grüne (47 Sitze), CDU (42), AfD (23), SPD (19) und die FDP (12) im Parlament teilen, wollen auch die Basisdemokratische Partei Deutschland (dieBasis), die – im vergangenen September in Freiburg gegründete – Klimaliste Baden-Württemberg, Volt und WIR2020 haben.

Die Freiburger Kandidierenden

Aus dem Freiburger Gemeinderat kandidiert auch Nadyne Saint-Cast (Grüne), im Landtag sitzt bereits seit zehn Jahren die einstige Freiburger Stadträtin Gaby Rolland (SPD), seit fünf Jahren auch der für die AfD erneut kandidierende Daniel Rottmann, der in Ulm lebt. Diese drei debattierten am 8. Februar zusammen mit dem CDU-Kandidaten Manuel Herder und Marianne Schäfer (FDP) über wirtschaftspolitische Ziele in einem neuen Landtag. Der Arbeitgeberverband Südwestmetall, die Handwerkskammer Freiburg und die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein hatten eingeladen, BZ-Wirtschaftsredakteur Jörg Buteweg moderiert.

Wahlkampf wandert ins Internet

Saint-Cast und Schäfer forderten dabei, dass die öffentliche Hand schnell eine bessere Infrastruktur (Breitband, 5G) zur Verfügung stellen müsse, Herder („die Unternehmen leiden fürchterlich“) und Schäfer plädierten für steuerliche Erleichterungen für die Firmen (Verlustrückträge), Rolland sieht das Land in der größten Wirtschaftskrise seit 2008 in der Pflicht, noch viel mehr zu helfen, was es problemlos könne. Rottmann fordert „so schnell wie möglich wieder zu öffnen“, dort, wo es taugliche Hygienekonzepte gebe. Das Schlagwort „Bürokratieabbau“ führen alle im Munde, ohne jedoch etwas Konkretes dazu sagen zu können.

Der politische Wettbewerb wandert in Pandemiezeiten vermehrt ins Internet. Neben dem Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es neuerdings auch einen WahlSwiper, der wie eine Dating-App funktioniert: Wischt man auf einem Smartphone nach links oder rechts, stimmt man einer der 33 Fragen zu oder lehnt ab.

Danach kann man sehen, inwiefern die eigenen Antworten mit denen der Parteien übereinstimmen. Es gibt zusätzliche Erläuterungen und Erklärvideos. Ein Team um den Freiburger Politikwissenschaftler Uwe Wagschal hatte die Positionen und Parteiprogramme der kandidierenden Listen zuvor ausgewertet. Demnach liegen die Antworten von Linken und der AfD tatsächlich am weitesten auseinander, am ähnlichsten sind sich Grüne und SPD, aber auch im sogenannten bürgerlichen Lager gibt es große Überschneidungen zwischen der CDU und der FDP. Die Parteien der aktuellen Koalition haben inhaltlich übrigens keine besonderen Schnittmengen.

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