Riesenloch in Rathauskasse – Corona-Krise reißt 25-Millionen-Lücken Politik & Wirtschaft | 15.04.2020 | Lars Bargmann

Finanzbuergermeister Stefan Breiter

Freiburgs Finanzbürgermeister Stefan Breiter hat angesichts der Corona-Krise mit seinem Team schon mal die erwartbaren Verluste für den städtischen Haushalt kalkuliert. Auf dem Taschenrechner stand am Ende die Zahl 25 Millionen Euro. Pro Quartal.

„Es kommt darauf an, wie lange es noch dauert“, sagt Breiter. Wenn -Mitte- Mai die Welt da draußen wieder langsam hochfährt, Läden wieder öffnen können, Hoteliers wieder Gäste empfangen, die Gastronomie langsam wiederauflebt, dann sind es 25 Millionen. Es spricht aber Ende März nicht viel dafür, dass sechs Wochen später die Krise so beherrscht ist, dass die Freiheitsrechte der Menschen wieder ohne Beschränkung sind.

Breiter kommt es in diesen Tagen so vor, als sei er gerade im Hauptberuf Katastrophenbürgermeister. Als Finanzdezernent ist der 53-Jährige auch Ordnungsbürgermeister und zählt etwa das Amt für Brand- und Katastrophenschutz zu den seinen. Und er ist auch für die städtischen Gesellschaften zuständig. Dort also, wo derzeit keine Messen über die Bühnen gehen, keine Vorführungen bestaunt werden können, wo nicht gebadet und kaum geparkt wird – übrigens auch nicht falsch. Die Einnahmen aus Knöllchen gehen stark zurück, die Bescheide wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen auch. Es werden keine Ausweise verlängert, deutlich weniger kostenpflichtige Angebote genutzt.

Auf der anderen Seite forderten die Hoteliers bereits eine Aussetzung der Bettensteuer. Breiter schüttelte mit dem Kopf. „Wir können die Abgabe 2019 bis Ende September stunden, man darf aber nicht vergessen, dass die Steuer der Gast bezahlt und nicht der Hotelier.“ Darauf verzichten könne das Rathaus nicht. Insgesamt 25 Prozent der jährlichen Einnahmen stammen aus kommunalen Steuererträgen. Beispiel Gewerbesteuer: Im Plan für 2020 stehen dort 190 Millionen Euro. „Es kann gut sein, dass wir 20 Millionen abschreiben müssen“, so Breiter. Verheerend sei das.

Die Lage ist verheerend

Gespräche mit der Aufsichtsbehörde hat er angesichts der trüben Aussichten bereits geführt. Klemens Ficht, Vizepräsident im Regierungspräsidium Freiburg, habe ihm Mut zugesprochen. Auch im RP, wo quasi im Stundentakt von den Bürgermeistern und Kämmerern der 295 Gemeinden im Regierungsbezirk Meldungen über Haushaltsengpässe eintrudeln, gelten in diesen so besonderen Tagen besondere Handhabungen, eine lange Leine.

Breiter lobt die Finanzhilfen aus Berlin und Stuttgart: „Das ist enorm wichtig.“ Das gilt vor allem fürs Kurzarbeitergeld, das größte Thema in den städtischen Gesellschaften, aber auch für die Tarifbeschäftigten in der Stadtverwaltung. Das gilt aber auch für die Ankündigung aus Stuttgart, 100 Millionen Euro für Kitas zu verteilen. In Freiburg sind die Gebühren für städtische Tagesstätten im April ausgesetzt. Kosten: 1,6 Millionen Euro.

Das Rathaus ist auch Vermieter vieler Flächen und wird bei geschlossenen Gastronomien, bei kulturellen und sozialen Einrichtungen und Läden Mietabstriche machen müssen.

Die CDU-Fraktion im Rathaus fordert in einem Brief an Oberbürgermeister Martin Horn, „so rasch wie möglich alle kommunal zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung zu setzen, um zumindest zu temporären Entlastungen beizutragen. Von Stundungen der Steuerzahlungen bis zum Erlass von Mietkosten in städtischen Gebäuden – alles muss jetzt auf den Prüfstand.“ Breiter nickt, sagt aber auch: „Dafür braucht es eine gesamtstädtische Abstimmung, das kann nicht nach dem Windhundprinzip gehen.“ Die Stadt werde aber dort, wo es nötig ist, Rettungsschirme aufspannen.

Da Freiburg kaum gewerbesteuermächtige Industrie hat, stärker vom – derzeit nur rudimentär funktionierenden – Dienstleistungssektor lebt und somit auch stärker als andere von den Schlüsselzuweisungen von Bund und Land lebt, macht sich der Dezernent schon heute größere Sorgen um den Doppelhaushalt 2021/2022: „Wir werden die Ansätze nach unten anpassen müssen.“

Bei der ersten Steuerschätzung des Bundes im Mai, spätestens aber bei der zweiten im November werde es „ordentlich rumpeln“. Breiter hofft mehr denn je auf maßvolles Handeln im Gemeinderat – die Aufstellung des Haushalts ist dessen Königsrecht.

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