Trübe Aussichten: Belastetes Trinkwasser am Oberrhein Politik & Wirtschaft | 05.08.2019 | Philip Thomas

Schmutzwasser

Das Grundwasser in der REGIO ist durch Pflanzenschutzmittel und Salz stellenweise stark belastet. Messungen am Oberrheingraben ergeben: In 44 Prozent der Fälle hat das kühle Nass keine Trinkwasserqualität.

„Die Grundwassersituation am Oberrhein beschäftigt uns schon sehr lange“, sagt Axel Mayer, Geschäftsführer des Umweltverbands BUND Südlicher Oberrhein. Schließlich sitze man hier auf einem der größten Trinkwasserreservoirs in ganz Europa. Laut Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) hat es ein Volumen von 45 Milliarden Kubikmetern Grundwasser. Zum Vergleich: Der Bodensee hat ein Volumen von rund 50 Milliarden Kubikmetern.

Dieser Schatz ist in Gefahr – zu diesem Schluss kommt eine Studie zur Gundwasserqualität am Oberrhein im Rahmen des INTERREG-Projekts „ERMES“. Die Hauptrolle spielen dabei Verunreinigungen durch Nitrat aus Düngemitteln. Besonders betroffen sind die Gebiete nördlicher Kaiserstuhlrand und Markgräflerland, der Westrand des Elsass sowie der Norden des Untersuchungsgebietes, das von Basel bis Frankfurt reicht. An elf Messstellen fanden sich laut Studie sehr hohe Konzentrationen von über 100 Milligramm Nitrat pro Liter, davon lagen fünf im Markgräflerland. Laut LUBW wurden bereits 2015 Warnwerte für Nitrat von 37,5 Milligramm pro Liter an jeder fünften Messstelle überschritten, der Schwellenwert der Grundwasserverordnung von 50 Milligramm pro Liter noch an jeder zehnten Landesmessstelle.

Axel-Mayer

Fordert ein Umdenken: BUND-Geschäftsführer Südlicher Oberrhein Axel Mayer.

Diese Nitratbelastung variiert nicht nur zwischen Nachbargemeinden. Auch innerorts gibt es in der Wasserqualität starke Schwankungen: Freiburg ist in Sachen Trinkwasser entlang der Güterbahnlinie von Nord nach Süd geteilt. Östlich der Schienen kommt das Wasser aus dem Schwarzwald und ist laut Analyse der Badenova mit 5 bis 10 Milligramm Nitrat pro Liter belastet. Bei Anschlüssen westlich der Strecke stammt das Nass aus dem Oberrhein und bringt es auf einen Nitratwert von mehr als 22 Milligramm. Das liegt unter dem gesetzlichen Grenzwert und kann von Erwachsenen bedenkenlos getrunken werden. „Das ist die Hälfte des Grenzwertes“, kommentiert Yvonne Schweickhardt aus der Unternehmenskommunikation von Badenova. Grundsätzlich sei die Trinkwasserqualität hierzulande sehr gut: „In Deutschland sind die Richtlinien für Trinkwasser aus dem Hahn strenger als für in Flaschen abgefülltes Wasser.“

Trotzdem sind Experten skeptisch: „Ich würde Kleinkindern kein Wasser geben, das mehr als zehn Milligramm hat“, sagt Andreas Hartmann, Hydrologe an der Universität Freiburg.
468.000 Menschen versorgt die Badenova nach eigenen Angaben täglich mit Trinkwasser aus der Leitung. „Die Messwerte der Wasserversorgungen in Verantwortung von Badenova liegen alle weit unter den gesetzlichen Grenzwerten“, so Schweickhardt. Bevor Filtermethoden nicht mehr ausreichten, lege die Badenova Brunnen still.

Gülle ins Grundwasser

Laut ERMES-Studie hat es seit 2009 keine Verbesserung des Grundwassers gegeben. „Wenn wir so weitermachen und Landwirtschaft auch in Zukunft mit so viel Gülle betrieben wird, ist auch nicht abzusehen, dass die Nitratkonzentration sinkt“, sagt Hartmann. Den europäischen Grenzwert von 50 auf 25 Milligramm zu senken, hält er für unrealistisch. Ein höherer Anteil biologischer Landwirtschaft könnte aber den Zustand verbessern. „Ich halte es auch für sinnvoll, nur nach Bedarf zu düngen und nicht, wenn Speicher beispielsweise nach dem Winter geleert werden müssen“, sagt Hartmann. Mit der Schneeschmelze gelange der gesammelte Mist sonst ins Grundwasser und könne von den Pflanzen nicht vollständig aufgenommen werden.

Auch für Mayer geht die Entwicklung in die falsche Richtung. So gebe es am Oberrhein zwar noch kleinere landwirtschaftliche Strukturen, „Mais, Wein- und Erdbeeranbaugebiete spiegeln sich trotzdem mit Schadensfahnen auf Grundwasserkarten wider“, sagt er. Darüber hinaus tendiere die EU-Politik noch zu größeren und weniger ökologischen Agrarflächen. „Die holen alles aus ihren Böden raus“, kommentiert der Freiburger BUND-Geschäftsführer.

Neben Verunreinigungen durch Nitrat, gibt es laut Mayer auch eine hohe Belastung durch Salz. Als Beispiel nennt er die Abraumhalde eines ehemaligen Kalibergwerks im südbadischen Buggingen. Dort gingen täglich bis zu 2,5 Tonnen Salz ins Grundwasser über. „Das ist ein Skandal“, schimpft er. Statt Probleme zu beheben und Anlagen zu sanieren, würde oftmals nur woanders abgezapft. „Dabei brauchen wir dezentrale Lösungen“, sagt er. Als Negativbeispiel nennt er Stuttgart: „Die Stadt bekommt ihr Trinkwasser aus dem Bodensee, das ist angreifbar.“ Im Falle einer Verunreinigung säße die Metropole auf dem Trockenen.

 am Oberrhein unter anderem durch grenzüberschreitende Projektbearbeitungen bekannt“, sagt Thomas Gudera, Sachgebietsleiter im Referat Grundwasser des LUBW. Für Mayer ein Grund mehr, zu handeln. Er begrüßt das neue Umweltbewusstsein der Gesellschaft. Für Hartmann kommt es beim Thema Grundwasser vielleicht zu spät: „Selbst wenn jetzt Maßnahmen in Kraft treten würden – es vergehen Jahrzehnte, bis diese greifen. Wir zahlen gerade die Rechnung der letzten 20 Jahre.“

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