Widrigkeiten in der Wiehre: Familienheim mit vielen guten Zahlen und einem Problem Politik & Wirtschaft | 30.07.2018 | Lars Bargmann

Die Baugenossenschaft Familienheim Freiburg hat 2017 rund 2,3 Millionen Euro Gewinn gemacht. Angesichts des Zoffs um den geplanten Abriss der Gebäude an der Quäkerstraße geraten nackte Zahlen zur Nebensache.

In der Wiehre wird erbittert gegen die Genossenschaft gekämpft, weil deren Vorsitzende, Anja Dziolloß und Alexander Ehrlacher, eine 1952 erstellte Häuserzeile mit 43 Wohnungen abreißen und im Neubau (samt einem viergeschossigen Haus im Hinterhof) dann mehr als 50 Wohnungen unterbringen wollen – zu Mieten zwischen 7,50 und 10 Euro. Der Bestand ist nicht barrierefrei, technisch und energetisch 70 Jahre alt. Wer diese Häuser saniert, schädigt seine Wirtschaftlichkeit. Das ist die Position von Dziolloß und Ehrlacher.

Der Bestand sei mit 550.000 Euro leicht zu sanieren, die Genossen betrieben Gentrifizierung und würden nur noch auf ihre Bilanzen schauen, statt ihrem Auftrag nachzukommen, bezahlbaren Wohnraum zu sichern und zu schaffen. Das ist die Position der Initiative „Wiehre für alle“. Die hatte ein „Gutachten“ (Dziolloß setzt die Anführungszeichen in die Luft) beauftragt, das im Kern den Erhalt als problemlos bezeichnet hatte. Diese „Stellungnahme kann in keiner Weise als fundierte Basis für weitere Entscheidungen bezüglich des Umgangs mit der Liegenschaft herangezogen werden“, heißt es in einem Schreiben des Bauberatungsbüros Drees & Sommer. In einem Gutachten des Ingenieurs Fred Wagner aus Stuttgart heißt es: „Die ermittelten Gesamtkosten in Höhe von 548.132 Euro sind nicht zutreffend und somit keine Basis für die weitergehende Diskussion in der Sache.“

Für den Laien ist es erstaunlich, mit wie wenig Aufwand die Initiative so weitreichende Entscheidungen beeinflusst. Der Gestaltungsbeirat – ein in Freiburg nicht unumstrittenes Gremium – hat den Genossen empfohlen, zu sanieren. Aus städtebaulichen, architektonischen Gründen. Aber er muss es ja wirtschaftlich auch nicht verantworten. Und mehrere Fraktionen mit einer potenziellen Mehrheit im Gemeinderat wollen nun vom Rathaus wissen, ob für das Gebiet eine soziale Erhaltungssatzung her muss. Was den Neubauplan weiter massiv erschweren würde.

Dziolloß und Ehrlacher wenden sich also erst einmal anderen Bauvorhaben zu – im Umland. In Emmendingen bauen sie ein zweites Haus in Ziegelbauweise, in Kirchzarten planen sie 27 neue Wohnungen, in Breisach ein gutes Dutzend. In Freiburg, sagt Dziolloß, kann preiswerter Wohnraum nur auf bezahlbaren oder eigenen Grundstücken entstehen. Wenn das in der Wiehre nicht geht, dann bleibt die Häuserzeile so, wie sie ist: „Sanieren werden wir dort definitiv nicht.“

Positiver ist die baldige Fertigstellung des Wohn- und Geschäftshauses an der Ecke Tal- und Falkensteigstraße, wo die Mieten zwischen 8,50 und 9,11 Euro liegen. Die Durchschnittsmiete bei den Genossen liegt bei 7,01 Euro, 1,24 Euro unter dem Mietspiegel. Freiwillig hat sich die Familienheim gegenüber dem Freiburger Rathaus bereit erklärt, auslaufende Mietbindungen für 194 Wohnungen an der Bissierstraße zu verlängern. Es konnten aber nur 32 verlängert werden: Bei den anderen lagen die Voraussetzungen für das Wohnen in einer solch verbilligten Wohnung gar nicht mehr vor. 

Bilanz-Box 2017 (2016)

Bilanzsumme 160,3 Mio. € (158,3 Mio. €)
Gewinn 2,31 Mio. € (2,75 Mio. €)
Anlagevermögen 139,3 Mio. € (138,8 Mio. €)
Eigenkapital 63,3 Mio. € (61,2 Mio. €)
Spareinrichtung 39,6 Mio. € (38,6 Mio. €)
Mitglieder 8414 (7963) – davon wohnungssuchend 1200

Foto: © Familienheim Freiburg