Schläfrig, fast apathisch: Sophie Hunger auf dem ZMF STADTGEPLAUDER | 03.08.2019 | Philine Sauvageot

Die Erwartungen sind hoch, die Stimmung gut, als Sophie Hunger mit Band die ZMF-Bühne betritt. Die Stuttgarter Sängerin Mine hatte das Publikum mit so viel Energie und Bühnenpräsenz eingestimmt in den neuen elektronischen Sound von Sophie Hunger, den sie mit Drumcomputer und Synthesizer in ihrer neuen Heimat Berlin produziert hat. Aber die hohen Erwartungen werden an diesem Abend im Zirkuszelt nicht erfüllt.

Sehnsüchtig und sanft, auch ein bisschen widerspenstig gibt sich die Schweizerin Sophie Hunger schon immer, so kennen wir sie. Aber davon ist heute fast zu viel zu hören. Die ersten drei Stücke plätschern ruhig und ohne Ansprache vor sich hin. Ein langer Opener ohne Spannungsaufbau. Ist Sophie Hunger überhaupt ganz da? Sie steht hinter ihrem wuchtigen Keyboard, singt und spielt auch dahinter an ihrer Gitarre. Ein Sinnbild für die Distanz zum Publikum, die sie während des ganzen Konzerts aufrecht erhalten wird. Auch die Fotografen dürfen heute auf Sophies Wunsch hin nur am Bühnenrand stehen.

So verträumt ihr aktuelles Album „Molecules“ ist, so wenig inspiriert und schläfrig, fast apathisch wirkt die Live-Einlage derselben Stücke. Ihr Album ist eine Huldigung an den Elektro und dessen Hochburg Berlin, an den Szeneclub Berghain und überhaupt an das bodenlose, pulsierende Nachtleben der Stadt. „Berlin, ein deutsches Zauberwort.“ In den Sünden dieser Stadt finde sie Trost, singt sie auf dem Album, die einzigen deutschsprachigen Zeilen darauf. Ansonsten ist alles englisch. Hinter ihrer Mehrsprachigkeit habe sie sich als Künstlerin nicht mehr verstecken wollen. Sie habe sich der anglophonen Popkultur nicht mehr heldenhaft entgegenstellen müssen.

Selten mitgerissen: Die Fans von Sophie Hunger müssen lange auf Highlights warten.

Das war auf dem Album hörbar eine Befreiung. Nur auf der Bühne wirkt sie eher gefangen und scheint sich dabei unwohl zu fühlen, so einer, wenn auch überschaubaren Masse ausgesetzt zu sein. Die Scheinwerfer treffen ihr Gesicht nur selten. Die meiste Zeit steht sie im Dunkeln, ihre überragende Band hingegen groovt hell erleuchtet und legt beeindruckende Solo-Passagen hin. Einmal leuchtet Sophie Hunger auf, wenn der Gitarrist sie vor das Keyboard lockt, sie sich gegenseitig regelrecht bekämpfen mit ihren Gitarren, sich einander auf die Gitarrenhälse klopfen. Ein weiteres Highlight ist das verträumte und jazzige Stück „Silver Lane“. Doch viel zu selten kann das Publikum, das sich das offenbar so sehr wünscht, mehr als nur mit dem Kopf wippen, bei „Tricks“ endlich, und dann flaut es wieder ab.

Die Mehrsprachigkeit, von der sich Sophie Hunger doch laut eigener Aussage endlich befreit hat, zieht sie heute wieder wie ein Korsett über. Sie stellt ihre Bandmitglieder aus „dem schönen Zürich“ vor und singt die Schweizer Nationalhymne. Die sei so „überraschend modern“. Da blitzt kurz ihr besonderer Humor auf. Zumindest macht Hoffnung, bei Mine wie bei Sophie Hunger endlich auch Frauen an Instrumenten zu sehen, Sophies Keyboarderin und Bassistin etwa. Eine Seltenheit, die Mut macht. Und das Album „Molecules“, das Sophie Hunger hier vorstellt, ist wirklich eine Perle. Darauf versetzt sie uns nicht in die düsteren Clubräume. Sie trägt uns eher durch die Tür raus in die Nacht und Berlin klingt nach. Offenbar passt das besser auf Platte als auf die Bühne.

Fotos: © Philine Sauvageot