Doppelter Doppelpass: Warum zwei Freiburger Briten jetzt Deutsche sind Szene | 16.03.2019 | Till Neumann

Der Brexit steht vor der Tür. Wenn Großbritannien die EU am 29. März verlässt, sind Briten in Deutschland Vertreter eines Drittlandes. Also sichern sich derzeit Tausende Exil-Engländer einen deutschen Pass. So auch Helen White und Adrian Walter. Die zwei Freiburger verfolgen die Lage in ihrem Land mit Entsetzen.

Jack bellt und stellt die langen Ohren auf. Fast könnte man meinen, der hellbraune Hund mache Krach gegen den Brexit. Doch Besitzerin Helen White kann beruhigen. Jack ist Italiener und lediglich etwas aufgedreht. Der stellvertretenden Leiterin des UWC Robert Bosch Colleges schlägt die politische Lage aber aufs Gemüt: „Der Brexit ist ein Desaster“, sagt die 53-Jährige. Theresa May sei eine arme Frau und solle versuchen, mehr zuzuhören.

White selbst muss sich erst mal keine Sorgen machen. Seit Oktober hat sie neben ihrem britischen auch einen deutschen Pass. Beantragt auf dem Freiburger Bürgeramt, verbunden mit einem Einbürgerungstest, der „ein bisschen ein Kinderspiel“ war. Der Sprachtest hat ihr eher Sorgen bereitet, erzählt sie mit britischem Akzent. Doch das B1-Niveau hat sie bei einem Sprachtest an der Volkshochschule nachweisen können.

Haben jetzt zwei Pässe: Adrian Walter und Helen White (unten).

Hätte sie den Pass auch ohne Brexit beantragt? „Nein, ich habe das nur deswegen gemacht“, sagt White. Sie sei Engländerin und fühle sich trotz neuer Staatsbürgerschaft nicht wirklich deutsch. Ein bisschen komisch sei das, aber praktisch. Fakt ist: Verlässt Großbritannien die EU mit einem „Hard Brexit“, ist eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht mehr möglich. Wer danach einen deutschen Pass beantragt, muss sich entscheiden: Deutscher oder Brite? Bei einem geregelten Austritt gibt’s eine Frist bis Ende 2020.

Auch Adrian Wolter will das Risiko nicht eingehen. Er hat sich Ende 2018 um einen Pass mit goldenem Adler bemüht. Der 49-Jährige arbeitet als Dozent in Freiburg und ist seit Anfang Februar Deutscher. Nicht nur der drohende EU-Austritt habe ihn zum Doppelpass gebracht: „Ich hatte mir das schon früher überlegt“, erzählt er bei einem Glas Wasser in seiner Wohnung in Herdern. Der Ausweis ändere einiges: „Es stärkt das Gefühl, dass man hierher gehört.“ Der größte Vorteil für ihn: Er kann jetzt auch Land- und Bundestag wählen.

Beim Brexit-Referendum war das anders: Genau wie White hatte er kein Stimmrecht. Denn wer mehr als 15 Jahre im Ausland lebt, hat das verwirkt. Walter ärgert das, ist er doch Brite wie seine Landsleute auf der Insel. Für ihn steht fest: „Der Brexit ist absolut falsch.“ Viele Unwahrheiten seien im Vorfeld verbreitet worden. Jetzt hält er es aber für korrekt, das Votum umzusetzen. „Vielleicht können wir ja in 10, 15 Jahren wieder zurück.“

White und Walter sind in Freiburg keine Ausnahme: Von 1999 bis 2013 gab es jährlich nie mehr als vier britische Einbürgerungen, informiert das Rathaus. Allein 2018 waren es schon 22. Der Trend dürfte weitergehen. Auch bundesweite Zahlen belegen das. 2015 erwarben rund 600 Briten die deutsche Staatsbürgerschaft, 2017 waren es fast 7500.

Die zwei neudeutschen Freiburger kennen viele Landsleute, die das Thema umtreibt. Sie verfolgen täglich die Nachrichten und hoffen, dass ihr Volk nicht weiter gespalten wird. „Britannien zeigt ein unattraktives Gesicht, das ist schade“, sagt Walter. Er fühlt sich zwar nur bedingt wie ein Deutscher. Aber ganz sicher wie ein Europäer.

Fotos: © pixabay; tln