Freiburger Psychologie-Doktoranden entwickeln ­Software zum Stressmanagement Szene | 03.04.2019 | Tanja Senn

An einem stressigen Arbeitstag kurz für zehn Minuten an einem Südsee-Strand entspannen? Das machen nun zwei Freiburger Psychologie-Doktoranden möglich. Sie entwickeln eine Software, mit der man virtuell relaxen kann.

Leise spielt der Wind in den Palmen. Am dunklen Nachthimmel leuchten die Sterne. Im Sand stecken flackernde Fackeln, ein Lagerfeuer prasselt. Ein wohliges Seufzen – und schon leuchten die Sterne heller, in den Wipfeln der Palmen erscheinen Glühwürmchen, und ein Segelschiff setzt seinen Weg am Horizont fort.

Das Seufzen hat zu einem tiefen Ausatmen geführt. Ein Controller – sanft an den Bauch gehalten – hat die Atembewegung registriert und in der virtuellen Welt belohnt. Aber sobald man die Virtual-­Reality-Brille (VR) anhebt, verschwindet der animierte Strand und man kehrt zurück in die Wirklichkeit.

Genauer gesagt, in ein kleines Büro in der Engelbergerstraße mit Ikea-Sesseln, Schreibtischen und Blick auf einen grauen Frühlingstag. Das Büro im fünften Stock des Instituts für Psychologie teilen sich Christoph Rockstroh und Johannes Blum, die hier an ihren Dissertationen arbeiten. Sie wollen herausfinden, ob virtuelle Realitäten Stress reduzieren können.

„Unsere Idee war, zu schauen, wie man Technik, über die ja in der Psychologie viel geschimpft wird, für etwas Positives nutzen kann“, erklärt Rockstroh. Dafür haben sie drei virtuelle Naturlandschaften entwickelt: einen Strand, eine Schneelandschaft mit Berghütte und einen rauschenden Fluss mit Wald und Wiese. Das Programmieren haben sich die beiden Psychologiestudenten dafür selbst beigebracht. Wichtig war ihnen, „keine bloße Ablenkung“ zu schaffen. Stattdessen soll man mit der Software trainieren können, wie man Stresssymptome abbaut und seine Widerstandskraft stärkt.

Das funktioniert vor allem über die Atmung. Da das tiefe Atmen in den Bauch – die sogenannte Zwerchfellatmung – gesundheitsfördernd sein soll, wird sie über einen Controller gemessen und in der virtuellen Welt belohnt. Wer entspannt und gleichmäßig atmet, kann darüber auch seinen Herzschlag beeinflussen.

Steine zum Schweben bringen

Ein kleiner Clip am Ohr misst über den Puls, wie regelmäßig das Herz schlägt. Das kann man in der virtuellen Welt nicht nur hören, sondern auch anhand kleiner Lichtpunkte sehen. Je mehr die Herzrate dem Atemrhythmus folgt, desto besser die Herz-Resonanz. Auch sie wird in der animierten Landschaft sichtbar – anhand von Steinen, die man zum Schweben bringt.

Drei Studien haben die beiden Wissenschaftler zu ihrer Software bereits durchgeführt – mit durchweg positiven Ergebnissen. So konnten sie zeigen, dass ihre Simulationen tatsächlich entspannen und zwar besser, als einfach nur einen Wald anzuschauen oder auf einem Bildschirm ein Feedback über die Atmung zu bekommen. „Je mehr die Menschen das Gefühl haben, tatsächlich in dieser Welt zu sein, umso positiver ist der Effekt“, ist sich Rockstroh sicher. „Die virtuelle Realität ist so eine intensive Erfahrung, dass man in sehr kurzer Zeit sehr viel lernen kann“, fügt Blum hinzu.

Wunsch der beiden ist, dass die Software nun den Sprung von der Wissenschaft in die Praxis schafft. Den Einsatz können sie sich am besten in Unternehmen, Kliniken oder REHA-Einrichtungen vorstellen. Schließlich braucht es außer einer handelsüblichen VR-Brille nur noch einen Controller und einen Pulsmesser. Einen ganzen Urlaub kann die Relax-Software jedoch nicht ersetzen. Denn einen Nachteil hat die virtuelle Welt: Sie endet bereits hinter der nächsten Palme.

Fotos: © Screenshot Resono-VR, tas