„Es geht um Leben und Tod“: Freiburger entwickelt »theRescueApp« Szene | 22.06.2018 | Till Neumann

Eine neue App soll Suchtrupps mit Rettungshunden schnelller machen. Ein Bergwächter aus der Region hat sie programmiert – jetzt läuft die Testphase.

Wenn Reinhard Kappen gerufen wird, ist Alarmstufe Rot. Sein Team der Rettungshundestaffel Breisgau-Ortenau sucht Vermisste – meistens nachts, meistens im Wald. Um effektiver arbeiten zu können, testet die Staffel derzeit „theRescueApp“. Sie soll Suchtrupps schneller machen. Spürhunde wie „Jack“ bekommen dafür einen Tracker umgehängt, wie eine Übung in einem Freiburger Wald zeigt.

„Los Jack, los“, ruft Hundeführerin Silvia Allgaier (Foto oben). Der Australian Shepard weiß sofort, was Sache ist. Er nimmt Witterung auf und rennt zielstrebig mit dem umgebundenen 3G-GPS-Tracker davon. Der Waldweg im Freiburger Norden interessiert den schwarz-weißen Vierbeiner wenig. Querfeldein flitzt er über Stock und Stein.

Nach rund einer Minute kommt er zurück. Im Maul hat er das „Bringsel“, einen Teil seines orangenen Halsgeschirrs. Damit signalisiert er: Ich habe was gefunden. „Gut gemacht“, lobt Allgaier. Ihr erfahrener Rettungshund hat die Zielperson entdeckt. Sie lag rund 100 Meter weiter am Boden.

Was im Wald beim Industriegebiet Hochdorf simuliert wird, bereitet Hund und Mensch auf den Ernstfall vor. Für die Crew um Zugführer Reinhard Kappen (58) stehen solche Übungen jede Woche auf dem Programm. Doch nicht alles ist heute Routine. Die eingesetzte Technik ist brandneu: theRescueApp.

Kein Zufall also, dass Erfinder Johannes Birkenberger die Übung begleitet. Der 36-Jährige sitzt im Einsatzfahrzeug der BRH Rettungshundestaffel Breisgau-Ortenau vor einem Rechner. In seiner Hand ein Handy, das mit dem Laptop gekoppelt ist. Der Mann ist aktives Mitglied der Bergwacht Schwarzwald und selbstständiger Mechatroniker (JoBiger mechatro UG). Er will den Suchtrupps mehr digitalen Support bieten und hat deswegen die App entwickelt.

Alles im Blick: Tüftler Johannes Birkenberger verfolgt Jacks Route per GPS am Display.

»App eliminiert die Chaos-Phase«

„Je früher man weiß, wo man suchen muss, desto schneller geht es“, erklärt Birkenberger. Deswegen soll seine Entwicklung Präzision und Geschwindigkeit bei der Suche nach Vermissten bringen. Der Einsatzleiter kann zum Beispiel das Suchgebiet schon während der Fahrt zum Einsatzort aufteilen. Die Grafiken dazu schickt er per Knopfdruck auf die Smartphones seiner Kollegen. „Bisher werden die Pläne vor Ort ausgedruckt und verteilt“, erklärt Kappen. Ein System, das funktioniert, aber Zeit braucht. Doch die ist knapp: „Wenn wir gerufen werden, geht es immer um Leben und Tod“, sagt Kappen. „Die App eliminiert die Chaos-Phase“, ergänzt Birkenberger.

Testet die App: Reinhard Kappen

Auch die Suche soll effizienter werden: Die Einsatzleitung kann den Standort der Suchtrupps in Echtzeit nachvollziehen. Birkenberger demonstriert das im Einsatzwagen: Wie Jack durch den Wald flitzt, kann er Meter für Meter am Bildschirm verfolgen. „Gerade bei Großeinsätzen mit vielen Suchtrupps ist das wichtig“, betont er. Dann suchen bis zu 15 Teams parallel. Wird beispielsweise ein Randbereich übersehen, kann der Einsatzleiter gegensteuern: In einer Historie sind alle Suchwege vermerkt.

Ein Aufsehen erregendes Beispiel für solch einen Einsatz ist das Verschwinden der Mutter von Oberbürgermeister-Kandidatin Monika Stein. Auch bei dieser Suchaktion waren Hunde im Einsatz. „Die Einsatzleitung steht unter hohem Druck. Bei Kindern und älteren Menschen vielleicht sogar noch mehr“, sagt Birkenberger. Gerade auch Ortsfremden helfe sein System bei der Orientierung.

theRescueApp ermöglicht zudem, ein eigenes Wlan aufzubauen, das alle Einsatzkräfte verbindet. „Im Schwarzwald ist das wichtig“, betont Reinhard Kappen. Oft genug sei man im Funkloch. Ein Problem, das auch in den Bergen Nepals bekannt ist. Sogar dort testet ein Team derzeit die App. Die Verbindung nach Freiburg besteht schon länger, berichtet Kappen, der im Vorstand des Bundesverbands Rettungshunde (BRH) ist und mit dem Auslandsteam schon im Erdbebeneinsatz in Nepal war.

Seine Freiburger Gruppe testet die App seit Herbst. In Kürze werde man sie im Ernstfall mitnehmen, erzählt er. Erweise sie sich als praxistauglich, könnte sie schon in einigen Wochen zum Einsatz kommen. Den technikaffinen Bergwächter Birkenberger würde das freuen. Er ist überzeugt: Bis zu 45 Minuten kann man mit der App schneller sein. Kappen nickt.

Mehr im Netz: theREscueApp auf Startnext | BRH Rettungshundestaffel Breisgau-Ortenau | JoBiger mechatro UG

Fotos: © tln