Nach Polizeiaktion in Hanfshops: Toxikologe ordnet Cannabidiol (CBD) ein Szene | 15.03.2019 | Till Neumann

In Hanfläden gibt es Cremes, Öle oder Blüten. Darin ist das nicht berauschende Cannabidiol (CBD) enthalten und bis zu 0,2 Prozent berauschendes THC. So schreibt es das Gesetz vor. Die Polizei hat in Freiburger Hanfshops im Januar CBD-Blüten konfisziert. Sind CBD-Produkte also gefährlich? Der Freiburger Toxikologe Volker Auwärter vom Uniklinikum klärt im chilli-Interview mit Till Neumann auf.

chilli: Herr Auwärter, sollten sich Kunden von Hanfläden Sorgen machen?
Volker Auwärter: Das kommt darauf an. Cannabis-Produkte mit einem THC-Gehalt von mehr als 0,2 Prozent gelten als Betäubungsmittel. Wer so etwas kauft, macht sich als Kunde strafbar.

chilli:Geschäfte wie der Hanfnah sagen: Alle Produkte sind zertifiziert.
Auwärter: Das Problem ist: Es gibt keine standardisierte Vorgehensweise für die Analyse des THC-Gehalts. Getrocknete Blüten enthalten kaum THC, jedoch einen Vorläuferstoff, die THC-Säure A. Sie wird beim Rauchen oder Erhitzen in THC umgewandelt. Deswegen muss man den Extrakt vor der Analyse erhitzen. Wie lange und wie heiß, daran scheiden sich die Geister.

chilli: Wenn 0,2 Prozent draufsteht, muss das also nichts heißen?
Auwärter: Die genaue Messung ist schwierig. Der eine Hersteller misst knapp drüber, der andere knapp drunter.

chilli: Ich habe als Kunde also keine endgültige Sicherheit.
Auwärter: Ja, das ist kein reguliertes Feld. Jeder Hersteller kann auf den Markt bringen, was er für richtig hält. Es gibt hier einen Graubereich.

Forscht in Freiburg: Volker Auwärter

chilli: Die heilende Wirkung von Cannabis steht außer Frage.
Auwärter: Richtig. Die Pflanze beziehungsweise einzelne Wirkstoffe werden erfolgreich im medizinischen Bereich eingesetzt. Es gibt aber auch einen gewissen Hype, Cannabis wird teils als Allheilmittel angepriesen. Das ist Blödsinn. Wenn Leute sagen, Cannabis wirke gegen Krebs und andere schwere Erkrankungen, weckt das falsche Hoffnungen.

chilli: Manche verteufeln es.
Auwärter: Ja, lange Zeit war es aufgrund des rigiden Betäubungsmittelrechts unmöglich, Patienten legal mit Cannabis zu behandeln. Das war kein haltbarer Zustand. Genauso falsch wäre es aber, Cannabis völlig ohne Beschränkungen in den Verkehr zu bringen.

»Werbung ist ein Skandal«

chilli: Sind CBD-Produkte mit mehr als 0,2 Prozent THC gefährlich?
Auwärter: Niemand kann heute sagen, ob man gefahrlos jeden Tag 20 Gramm CBD-Blüten im Müsli essen kann. Dazu fehlen valide Untersuchungen. Sicher ist: Bei einem THC-Gehalt von unter einem Prozent wirkt Cannabis auch in größerer Menge nicht berauschend. So viel kann man gar nicht rauchen, dass man davon high wird. In der Schweiz liegt der Grenzwert bei einem Prozent THC. Die deutsche Gesetzgebung ist hier restriktiver.

chilli: Wie schätzen Sie CBD-Produkte persönlich ein?
Auwärter: Ich glaube nicht, dass sie gesundheitsschädlich sind, solange man nicht maßlos übertreibt. Das muss aber ordentlich geprüft werden.

chilli: Frauen berichten uns von der positiven Wirkung von CBD-Zäpfchen bei Regelschmerzen.
Auwärter: Ich will das nicht grundsätzlich infrage stellen. Aber derzeit kann niemand sagen, ob nicht auch Placebo-Effekte am Werk sind. Der Medienhype könnte solche Effekte durch die Erwartungshaltung der Patienten verstärken. Die Studienlage ist dünn.

chilli: Wir sprechen über 0,2 Prozent THC. Nicht viel im Vergleich zu hochprozentigem Alkohol oder Tabak.
Auwärter: Die Ungleichbehandlung der legalen Rauschmittel ist tatsächlich sehr problematisch. Ein Skandal ist, dass diese Produkte beworben werden dürfen. Persönlich plädiere ich für eine Entkriminalisierung im Bereich der Betäubungsmittel, jedenfalls für Stoffe, die im Vergleich zu Alkohol in einer Gesamtbetrachtung als deutlich ungefährlicher einzuschätzen sind, wie Cannabis, MDMA („Ecstasy“) oder LSD. Ein streng regulierter Markt mit Werbeverbot, Jugendschutz und Aufklärung würde für mehr Sicherheit, Qualität und Kontrolle sorgen als der blühende illegale Handel.

Fotos: © unspalsh.com, Uniklinik Freiburg